Märchen erzählen von Entrückung und Verzauberung, vom Kampf mit Trollen, Drachen und Ungeheuern; sie berichten von weiten Reisen ihrer Hauptfiguren, Frauen sowohl wie Männern, und von eigenartigen Stationen im Verlauf dieser Wanderungen: beim Wind, bei Sonne und Mond, bei hilfreichen Wesen, die über Vierfüßer, Vogelwelt und Fische gebieten; sie wissen von Helfern in verhuntzelter menschlicher oder tierischer Gestalt. Haben einmal Menschen solche Reisen gemacht, solche Hilfen bei solchen Wesen gefunden?
Der Völkerkunde ist dieser Erscheinungsbereich wohlbekannt. Es hat einen Menschenschlag gegeben, der sich berufenerweise dem Kampf mit dämonischen Wesen stellte, der »Weltreisen« unternahm, die ihn zu den Mächten der Oberen wie der Unteren Welt führten, der dazu die Hilfe dienstbarer Wesen »drüben« gewann, von Ahnengeistern, Gottheiten, Genien, Feen, Naturwesen, von Herren und Herrinnen der Tiere. Es waren Männer und Frauen, die Zauber zu binden und vor allem zu lösen vermochten, und die wir heute, mit einem sibirischen Wort, Schamanen und Schamaninnen nennen. Dem Vorkommen dieses Menschentyps geht der vorliegende Band nach, in der eigenen Vorzeit Europas, in volkskundlichen Überlebseln Ungarns, bei Sibirien, auf den Philippinen, vor allem aber in den Märchen, die im lebendigen Erzählen die Erinnerung an das Schamanentum übernommen oder überliefert haben. Nicht alle Märchen sind »schamanische Märchen«. Doch bleibt weithin das Wunderbare der Volksmärchen ein Anzeichen für die schamanistischen Ursprünge unserer Zaubermärchen.