Zwiespältig wie das Leben selbst schildern die Märchen das Alter: Hier erscheint es als Sitz der Weisheit, dort nimmt der Schrecken über die zunehmende Hinfälligkeit überhand. Es ist vom Rat der Großmutter zu lesen, vom Wunsch nach ewiger Jugend, von Jungbrunnen und Altenmühlen und von Alten, die in der Einöde ausgesetzt werden. So kann letztendlich ein Aphorismus Kafkas als Motto für die 21 Forschungsberichte aus der Welt der Märchen dienen: "Wer die Fähigkeit, Schönheit zu sehen, behält, der altert nicht."
Zunehmende Unsicherheit prägen das heutige Verhältnis zwischen Jung und Alt: Stichwort "Rentenkrise" oder "Kontaktmangel". Nach Auffassung der jungen Generation nützt das "überholte Wissen" der Alten in der heutigen modernen Gesellschaft nicht mehr viel.
Die Märchen belehren uns jedoch eines Besserern mit ihren Reflektionen über das Alter, die Weisheit, über Dummheit und Torheit bis hin zur konkreten persönlichen Gegenwart. Und wieder erkennen wir, wie aktuell und zukunftsträchtig die alten immer neuen Märchen sind.
Sehr deutlich schält sich der philosophische Grundsatz "Leben bedeutet Altern" heraus, wobei das Älterwerden zunächst als Erfahrungsgewinn, dann jedoch zunehmend als Einschränkung der Lebensmöglichkeiten empfunden wird. Dieses zu akzeptieren und bereit zu sein, sich zu wandeln und etwas zurückzulassen, führt zu Weisheit im Alter.

URSULA HEINDRICHS

Vorwort 7

HEINZ-ALBERT HEINDRICHS

Erinnern Vergessen Erwarten 12

HANNA-BARBARA GERL-FALKOVITZ

Weisheit im Märchen

Mit besonderem Blick auf die irische Überlieferung 20

HEINRICH DICKERHOFF

Alte Weise, dumme Greise und die Uralten,

die alles wissen 31

ANGELIKA - BENEDICTA HIRSCH

»Der 7. Vater im Haus« - Die Germanen und ihre Alten 41

WILHELM SOLMS

Märchenhafte Väter 49

NINO CAMPAGNA

Die alten Könige bei Basile 65

GERTRUD ENNULAT

Die Großmutter im Märchen 76

HELGA ZITZLSPERGER

Können die Alten der Märchen den Jungen von heute

noch etwas sagen? 89

HELGA VOLKMANN

Die Alten in »1001 Nacht« 109

BARBARA GOBRECHT

Alt und/oder weise? Hexen im Märchen 123

MARIA CHRISTA MAENNERSDOERFER

Von Elementargeistern, Dämonen und anderem

alten Gelichter 141

RENATE ZELGER

Des Teufels Großmutter 155

KATALIN HORN

»Ist das schon Tollheit, hat es doch Methode«

Die Weisheit der Volksmärchen einmal anders betrachtet 171

LUTZ RÖHRICH

» Jeder will's werden - keiner will's sein«

Von Macht und Ohnmacht der Alten 183

GISELA JUST

Vom Wunsch des alten Menschen, wieder jung zu werden 201

ERIKA TAUBE

Altentötung in den Märchen zentralasiatischer Völker 224

INGEBORG SCHEFFLER

Alte Menschen in Märchen - eine Betrachtung aus der Sicht

der Sozialen Gerontologie 240

PAUL LUDWIG SAUER

»Der Alte an der Wegbiegung«

Über eine parallele Begegnungssituation im Volksmärchen

und im Bildungs- und Entwicklungsroman 254

Otto BETZ

Der Einsiedler als Ratgeber 267

URSULA HEINDRICHS

Die Gaben der Alten im Märchen 281

GÜNTER LANGE

» ... seh ich den Alten gern?«

Zur Bildgeschichte Gottes, ihren Ursachen und ihren Folgen 296



Zu den Autorinnen, Autoren und Herausgebern 323

Abkürzungen von Literaturangaben 326