Amazon.de Ein sagenhaftes Stimmungsbild des Mittelalters zeichnet Winfried Bruckner in seinen
Wiener Sagen für Erwachsene. Man liest von einsamen Burgfräuleins in kalten Schlössern, lüsternen Pfarrern, fahrenden Handwerksburschen, raubenden Ritter, von Nixen, der Pest, dem Teufel, dem Tod und auch vom legendären Unterkommissär Lechner, der immer Selbstmord feststellt, selbst wenn Tausende Nadeln im Körper des Opfers stecken.
Viele Schauplätze der wilden Handlungen sind in Wien und Umgebung wohl bekannt: ob Spinnerin am Kreuz, Stephansdom oder die Wachau. Da wird eine ausschweifende Epoche des Aberglaubens und der realen Bedrohungen beschrieben, voller Gewalt und auch voller Sinnenfreuden.
Doch die 19 Sagen zeigen nicht nur ein grandioses Pandämonium. Sie sind zugleich Miniatur-Sozialgeschichten, die auch von den Enttäuschungen, Sehnsüchten, den Schrecken, den Freuden und von der Liebe der Heldinnen und Anti-Helden erzählen: vom großen Schmerz des Basilisken etwa: Das Tier, halb Kröte, halb Hahn, haust im Brunnen und ist überzeugt, die Menschen würden ihm wegen seiner Schönheit einen Thron bauen -- bis es dann angesichts seines Spiegelbildes vor Entsetzen stirbt.
Der Autor taucht tief ein in die Epoche seiner Handlungen. Dies zeigt sich besonders in seiner Liebe zum Detail: Die in ihr Spiegelbild verliebte Prinzessin leidet manchmal unter tränenden Augen, Folge einer Augenentzündung. An der werden wohl mehrere Zeitgenossen gelitten haben, die ihre zugigen Behausungen mit rauchenden offenen Kaminen wärmten.
Kongenial zum Text die Illustrationen von Karl Hodina, dem bekannten Wienerlied-Interpreten. Seine Zeichnungen sind von einer Zartheit und Ironie, welche die nur oberflächlich derben Inhalte in ein warmes Licht tauchen.
Winfried Bruckner, vielfach ausgezeichneter und international bekannter Kinder- und Jugendbuchautor hat Geschichtchen ohne Moral -- im doppelten Sinne -- verfasst: ohne Lehre, die man daraus ziehen könnte und ohne Belehrung und ganz und gar nicht jugendfrei. Was das Lesevergnügen keinesfalls schmälert. --Irmgard Kirchner