Einst lebte ein alter Bauer; droben im Schatten des Plasselbwaldes lag ganz einsam seine schindelbedeckte Behausung. Einsam wie die Hütte, floss auch das einförmige Leben seines Bewohners dahin, der sich wenig um die Streitigkeiten der grossen Welt bekümmerte. An einem Winterabend, als der Alte in seiner rauchigen Stube sein Pfeifchen schmauchte, klopfte es schüchtern an die gefrorenen Fensterscheiben. Bedächtig tat der Bauer das «Lüüfferli» (kleines Ofenfenster) auf und schaute hinaus, wer da wohl noch Einlass begehre. Da standen auf dem Holzstoss zwei winzig kleine Leutchen und baten mit zitternder Stimme um ein Abendessen und die Erlaubnis zum Übernachten. Sie hätten sich im hohen Schnee verirrt und hungerten gar sehr. Der gutherzige Sonderling nahm das wunderliche Pärchen freundlich auf und bewirtete es, so gut er konnte. Als Schlafstelle wählten die beiden Fremdlinge das Ofenloch im grossen Sandsteinofen, der in keinem alten Freiburger Bauernhaus fehlt. Am andern Morgen baten sie ihren Wirt, er möge sie doch den kalten Winter über bei sich behalten, was dieser gern gewährte. An den langen Winterabenden trieben die Zwerge allerhand Kurzweil und verkürzten dem Alten die Zeit mit ihren lustigen Spässen. Tagsüber machten sie sich durch allerlei Dienstleistungen nützlich. Kam aber ein Nachbar, so versteckten sie sich, bis der Besucher wieder fortgegangen war.
Als endlich der stolze Frühling die Schneedecke zum Schmelzen brachte und auf allen Matten die Blümlein hervorsprossen, wurden die zwei Leutchen traurig. Sie sehnten sich nach dem duftigen Wald und der wohligen Bergluft. Der Bauer wollte jedoch die liebgewonnenen Gäste nicht ziehen lassen. Da griff das Weibchen zu einer List. Es verlangte einen Knäuel Zwirnfaden, um dem Bauern ein neues Kunststück zu zeigen. Es befestigte das eine Ende des Fadens am Fensterhaken dann warf es den Knäuel durch das geöffnete Fenster in weitem Bogen auf die Wiese hinaus. Darauf nahm es das Männchen bei der Hand und hiess es ihm folgen. Wie gewandte Seiltänzer spazierte das Zwergenpaar auf dem dünnen Faden hinaus auf den sonnigen Anger. Dem verdutzten Gastgeber riefen sie noch ihren Dank- und Abschiedsgruss zu, worauf sie bald im nahen Wald verschwanden. Der Bauer hatte von jetzt an immer Glück im Haus, Stall und Feld.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.