An der Wegkreuzung zwischen Weissenbach und St. Antoni steht auf einem schmalen Wiesenfleck ein kleines, weissgetünchtes Kapellchen. Es ist seit alters her dem heiligen Märtyrer Sebastian geweiht, den man in früheren Zeiten der Seuche oder Pest besonders als Schutzpatron verehrte. Hier sollen während des grossen Sterbens im 16. Jahrhundert drei Wagen voller Leichen zusammengetroffen sein. Alljährlich besuchen die eifrigen Gläubigen von St. Antoni an einem der grossen Bitttage das kleine Heiligtum, um sich und Haus und Hof unter den mächtigen Schutz des kriegerischen Heiligen zu stellen. Und kein frommer Christ geht am Behäuschen vorbei, ohne ein Kreuzlein zu ziehen und den moosgrünen Filzhut grüssend vor dem hilfreichen Beschützer abzunehmen.
Vor dem Zeitalter des blitzschnellen Autos oder benzinduftenden Motors kamen früher die Fuhrleute mit ihren hochbeladenen Holzfuhren vom Grossholz vorbei. Es gab unter ihnen manch losen Vogel, dem Spott und Übermut näher lagen als ein andächtiges Stossgebet. Besonders zwei junge Knechte aus dem Seeligraben konnten es nicht lassen, beim Vorbeifahren einen Spottvers auf den stillen Heiligen im Kapellchen anzubringen: «Bastian häb’s!» riefen sie im Vorbeiziehen aus und begleiteten ihre sinnlosen Spottreden noch mit einem mutwilligen Gelächter.
Die braven Anwohner ärgerten sich über solch unehrerbietige Auslassungen der jungen Gecken und verwiesen es ihnen öfters. Doch all die gutgemeinten Mahnungen prallten wirkungslos ab von den Ohren der ausgelassenen Burschen, die sich weiser und gescheiter dünkten als die biederen Ahnen. Da musste schon ein Höherer kräftig dreinreden!
An einem bitterkalten Wintermorgen nahten sich die mit Trämeln hochbeladenen Wagen der zwei losen Burschen vom Seeligraben her der Hauptstrasse. Ihrer schlimmen Gewohnheit gemäss wiederholten sie bei der Kapelle ihren Spottgruss: «Bastian häb’s!» und wollten weiterfahren. Aber diesmal hatten sie falsch gerechnet. Sankt Sebastian nahm die leichtfertigen Spötter beim Wort und hielt Pferde und Wagen fest am Platze! Da rissen die Verwegenen Augen und Ohren auf. Alles Hüst und Hott, all das lärmende Knallen der geknoteten Lederpeitschen half nichts. Keinen Zoll breit rührten sich Pferd und Wagen. Wie angefroren blieben sie auf dem gleichen Platze bocksteif und unbeweglich. Alles Zerren und Schieben war umsonst.
Nun ging den jungen Spöttern ein Licht auf. Sie erkannten des Himmels Strafe für ihre Spöttereien. Schamrot bekannten sie den vorbeiziehenden Leuten ihr Unrecht und baten demütig um Hilfe. Aber keinem der Anwesenden gelang es, den unsichtbaren Bann zu brechen. Endlich holte man aus der Stadt Freiburg einen alten frommen Ordensmann. Dessen inständigem Beten und kraftvollen Beschwörungen gelang es dann endlich, den Bann zu brechen und den erzürnten Heiligen zu versöhnen. Auf den Knien baten die zerknirschten Sünder den beleidigten Patron um Gnade und Verzeihung. Mit einem eindringlichen Verweis des ehrwürdigen Mönches, nie mehr mit heiligen Sachen ihren feilen Spott zu treiben, konnten die gebesserten Übeltäter ihre so merkwürdig unterbrochene Fahrt wieder aufnehmen und unbehindert ihren Bestimmungsort erreichen.
Fortan verstummten die respektlosen Zoten, und aus den leichtfertigen Spassvögeln wurden tüchtige und gesetzte Hausväter. Des Heiligen herben Verweis haben sie ihr Lebtag nie mehr vergessen.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.