Unweit Menzingen im Zugerland lag einst ein einsamer Hof, abseits der Landstraße. Darauf lebten Bruder und Schwester, die früh die Eltern verloren, arm und kümmerlich, aber glücklich und zufrieden mit dem Wenigen, das sie hatten, bis ihre einzige Kuh, ihr liebes Bruneli eines Tages krank wurde. Da stand das arme Tier ganz still im Stall, sah die beiden allemal mit traurigen Augen an, wenn sie es besorgen kamen, und litt stumm große Schmerzen. Das Mädchen ging auf die Matten hinaus und den Hang hinauf dem Walde zu, um ein Heilkraut zu suchen. Da stand aufs Mal, wie aus dem Boden geschossen, ein Härdmandli vor ihm, nicht größer als ein dreijähriges Kind, und hatte ein Wämslein an von Hasenfellen und ein spitzig Hütlein auf dem Kopf, grün wie Moos. Sein Gesicht war braun und schrundig wie Baumrinde und sein Bart struppig wie Tannenreis. Freundlich äugte es mit seinen beerenschwarzen Äuglein zu dem Mädchen hinauf und sagte: «Ja gelt, ich weiß schon, was du suchst, aber du wirst das Rechte nicht finden. Ich will dir aber helfen.»
Und damit zog es ein Bündel ausgesuchter Heilkräuter aus dem Sack und reichte es dem Mädchen. «Gib deinem Kuehli jeden Tag ein Zweiglein davon, dann wird es bald gesunden.» Das Mädchen war so erschrocken, dass es gar schier vergessen hätte, dem Mandli zu danken. Dann sprang es eilends heim und rief schon von weitem: «Hoho, Bruneli, hier sind Kräutli vom Härdmandli. Jetzt kann's nicht mehr fehlen!» Und die gute Kuh wandte den Kopf und muhte. Nach drei Tagen war das Tier zur Freude der Geschwister wieder gesund und munter.
Seit jenem Tag aber, wenn abends das Mädchen Wasser vom Brunnen im Hofe holen ging, saß jetzt immer das Mandli da, und sie plauderten miteinander, das Mandli und das Mädchen, und wurden bald vertraute Freunde. Um den Haushalt der Geschwister aber war es karg bestellt, und manchen Tag mussten sie sich abends hungrig zu Bett legen. Das merkte das Härdmandli, und eines Abends sprach es zu dem Mädchen: «Versprich mir, mich immer lieb zu haben, und ich will dir etwas schenken, dass ihr künftig nie keinen Hunger mehr leidet.»
Das versprach das Mädchen gern, denn der lustige Wicht gefiel ihm gut. Da nahm das Mandli aus seinem Sack ein rundes goldgelbes Käslein. «Dies Käslein esset allemal nur zu drei Vierteln auf. Dann wird es niemals zu Ende gehen. Aber nur ihr selber dürft davon essen und niemand sonst etwas davon geben noch davon sagen!»
Ja, das war nun ein Käslein, sag ich euch, ein Käslein, so zart und fein, wie Nidel, es verging einem grad auf der Zunge, und schmecken tat's, dergleichen hatten die Geschwister ihrer Lebtag noch nie gekostet. Und alle Morgen war es wieder voll und rund.
Das war nun alles gut und recht und ging so eine Zeit, bis der Bruder einmal im Vergeß einem Gast das Wunderkäslein rühmte und ihm dann zu kosten gab. Da ging es mit diesem Käslein, wie mit allem Käse, man schnitt davon ab, und schließlich war er weg. Nun aber kam das Gut der Geschwister bis übers Dach in Schulden, die mussten bezahlt werden, und die Gläubiger drängten. Aber es war kein voriger Batzen im Haus, und da sollte der Hof samt dem Bruneli, der Geiß und den Hühnern und allem Hausrat und Gschirr vergantet werden.
Am Abend vorher sagte das Mädchen traurig zu dem Härdmandli, das es wie gewohnt am Brunnen erwartete: «Heut ist's wohl das letzte Mal, dass wir einander sehen. Morgen wird unser Hof verkauft, und ich muss nun in der Stadt einen Dienst suchen, und der Josi geht sich als Knecht verdingen.»
«Nur gemach, liebe Jungfer», sprach da das Mandli, «wenn du nur willst, könnt ihr den Hof behalten, und du brauchst nicht in die Stadt gehen als Magd: Wird meine Frau, dann sollst du so viel Geld bekommen, dass dein Bruder die Schulden bezahlen kann.»
Dem guten Mädchen ward bei diesen Worten heiß und kalt, und ohne sich zu bedenken sagte es, ja, und willigte ein, denn Verstand und Nachgedank kommt nicht vor den Jahren.
Das Mandli schaffte alsbald einen großen Sack voll Geld zur Stelle, und alle Not war behoben. Die Geschwister wussten sich vor Freude nicht zu fassen und zu lassen. Das Mandli aber sagte: «Nun, Dorli, halt dich bereit, in drei Wochen soll die Hochzeit sein!»
Aber versprechen ist eins und halten ein anderes. Wie nun aber ein Tag um den andern verging und der Hochzeitstag näher rückte, da ward dem Mädchen nachgerade denn doch bang und bänger, und es fiel ihm bleischwer aufs Herz. Wohl war es dem Mandli von Herzen dankbar, und es mochte es recht gut leiden, aber es hatte nicht bedacht, dass es mit ihm gehen müsse und in einer Erdhöhle wohnen. Auch fiel ihm ein, wie andere Mädchen mit schönen stattlichen Burschen Hochzeit machten, und sie sollte die Frau dieses kleinen knorzigen Pfoders werden! Nein, das deuchte es nun doch noch ärger, als von Haus und Hof gehen und bei fremden Leuten als Magd das Brot verdienen. Aber was tun? Es war dem Mandli versprochen.
Da beschloss es, ihm zu sagen, wie es ihm uns Herz wäre, denn gezwungene Eh - des Herzens Weh. Und am nächsten Abend tat sie's. Das Mandli aber wollte ihr das Wort nicht zurückgeben, denn es freute sich schon lange darauf, wenn das schöne Menschenkind erst ganz bei ihm im Hause wäre und ihm kochen und es liebkosen würde. Aber wie es sah, dass ihm die Tränen kamen und es nur immer heftiger bat, es doch bei seinem Bruder zu lassen, da sprach es: «Dein Wort kann ich dir so wenig zurückgeben, als das Wasser im Bach wieder bergauf fließt. Aber wenn du noch vor der Hochzeit meinen Namen errätst, dann sollst du frei sein.»
Nun riet das Mädchen hin und her: Heißest du Gickigäcki? oder Gragörli? oder Zwitzizwätzi? oder Muggistutz? Aber das Mandli lachte nur und schüttelte sich, dass die Hasenfellchen flogen: «Nein, so heiß ich nicht, nein so heiß ich nicht!» Und so blieb es bei der Abrede. Das Mädchen lief nach Hause und besann sich auf alle Namen, die es je gehört, so dass es die ganze Nacht nicht schlafen konnte, und ganz wirr wurde im Kopf, und am andern Morgen ging es ganz verzweifelt zu seiner Gotte. Die wohnte weit oben am Berg, und war schon uralt und über alles klug.
Alle alten Frauen sind klug, aber die war so klug, wie ihrer zehne zusammen. Sie riet dem Mädchen, es solle dem Mandli nachschleichen in seine Behausung und es dort belauschen, dann werde es seinen Namen gewiss erfahren.
Am Abend vor dem Hochzeitstag huschte das Mädchen dem Mandli auf leisen Sohlen nach in den Wald. Plötzlich schlüpfte der Hock unter einen Tannengrotz und durch eine Spalte in den Berg. Das Mädchen ihm nach. Das Mandli tat eine Tür auf und machte sie hinter sich zu. Das Mädchen kauerte draußen nieder und schaute durchs Schlüsselloch. Da blickte es in eine munzig kleine saubere Küche mit einem kleinen Herd samt Pfannen und Töpfen und Geräten, alles blitzblank geputzt, und es sah wohl: statt aus Kupfer und verzinnt war alles von Gold und versilbert. Das Mandli machte ein Feuer an, tat Butter in ein Pfännlein und begann zu kochen. Dabei sprach und hüpfte es wie närrisch vor dem Herde hin und her, klatschte in die Hände und sang:
«Hüt choch i no mys Müesli allei
Morn chunt mer d'Brut is Hüsli hei.
O wie guet, daß sie nit weiß,
Daß ich Batzibitzili heiß!»
Da hatte das Mädchen genug gehört, und es sprang heim, so geschwind wie der Wind. Und als am andern Morgen das Mandli im Hochzeitsstaat erschien, um die Braut heimzuholen, da sah sie zum Fenster heraus und rief:
«Gang hei, gang hei, liebs Mandli,
Schlüf gschwind, gschwind hinder's Tandli,
Koch der dys Müesli nur allei,
D'Brut chunt der nit is Hüsli hei.
Vor dir in gueter Rueh ich bi,
Du heißisch Batzibitzili!»
Ja, da war nun die Hochzeit aus, ehe sie angefangen. Das Härdmandli aber ward so böse, dass es auf dem Fuß kehrt machte und geradeswegs in den Wald lief, ohne ein Wort zu sagen. Und kein Mensch hat es je wieder gesehen, das könnt ihr gewisslich glauben.
Quelle: Schweizer Märchen, Sagen und Fenggengeschichten, hrg. von Curt Englert-Faye, Zbinden Verlag, nach: E. Franke, Alpenmärchen, Berlin 1924
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.