Im Schwabenkriege belagerten die Eidgenossen das Städtchen Blumenfeld, in dem das Schloss der Herren von Roseneck stand. Doch wurden sie von seinen Mauern immer wieder abgetrieben, denn die paar hundert Mann Besatzung verteidigten sich aufs hartnäckigste. Endlich konnte sich das Städtchen nicht mehr halten, und die Eidgenossen, welche die tapfern Verteidiger achteten, erlaubten ihnen und den Bewohnern freien Abzug. Diese durften sogar alle Habe mit sich nehmen, die sie zu tragen vermochten. Das übrige jedoch müsse für die Eidgenossen drin bleiben; ebenso habe der Herr des Städtleins, der Ritter von Roseneck, drin zu bleiben, da sie ihm seiner Spöttereien wegen den Kopf abschlagen wollten.
Aber als nun die Eidgenossen dem Auszug der Verteidiger und der Bewohner des Städtleins stumm zusahen, erschien auch, schwer schnaufend, die edle Frau von Roseneck. Sie hatte einen Korb auf ihrem schwachen Rücken, und aus diesem sah der Kopf des Ritters von Roseneck heraus.
Das bedünkte die Eidgenossen also lustig, dass sie in ein schallendes Gelächter ausbrachen und die geängstigte Frau mit ihrem zitternden todbleichen Herrn willig durchliessen. Nur hie und da machte sich einer den Spass und schwang drohend das Schwert oder die Halparte über des Ritters Kopf, worauf der immer blitzgeschwind im Korb untertauchte, wie der Teufel in der Spielschachtel, was die Eidgenossen so festlich stimmte, dass sie aus dem Lachen gar nicht herauskamen. Dann aber hob einer der Hauptleute der Frau den Korb vom Rücken und liess ihren Herrn herausrutschen. Zugleich fiel auch eine ansehnliche Menge Schmucksachen heraus. Ein Schweizer Kriegsknecht griff danach und steckte ein Kleinod ins Wams. Doch wurde er sogleich niedergeworfen; man entriss ihm den Schmuck, gab ihn der Roseneckerin zurück, und nur mit Not und auf kniefälliges Bitten entging der Schelm dem Strick. Der Ritter wurde nach der Herkunft seiner Gattin gefragt. «Ich habe sie aus Glarus heimgeführt», sagte der Rosenecker. Gerührt von ihrer ehelichen Liebe, liessen die Eidgenossen die treue Edelfrau mit ihrem Ritter abziehen.
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch