Der Fulacher

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Auf einem der Bergrücken, welche sich aus dem engen, stillen und melancholischen Wangenthale erheben, liegt die Ruine der ehemaligen Burg Radegg... Auf dem starken Schlosse hat der „Fulacher“ gewohnt. Das war ein rauher und gewalttätiger Herr, der nur da oben saß, um die Bauern zu plagen. Trieb man die Kühe auf die Wiesen im Wangenthal, so lauerte er hinter dem Gebüsch mit seinen Leuten und nahm dem armen Manne seine Habe weg. Wer im Felde pflügte, konnte von Glück sagen, wenn der Alte nicht von seiner Burg herab kam und sich die schönsten Ochsen auslas. Er hatte auch seinen getreuen Helfershelfer auf dem gegenüberstehenden Hügel, der Abtshalde, welche bis vor kurzer Zeit dem Kloster Rheinau gehörte. Aber auch mit den Zwingherrn von Küssenberg stand er in Verbindung. Von Radegg bis auf den Küssenberg (in gerader Richtung eine Entfernung von mehr als 3 Stunden) ist ein Draht gezogen gewesen. Durch denselben haben sich die bösen Männer warnen können, wenn Gefahr im Anzuge war oder auch, wenn sie zu einem gemeinsamen Überfall einander unterstützen wollten. Bei dem allem ging der Fulacher fleißig zur Kirche nach Neunkirch. Da spannte er acht der schönsten Pferde vor seinen Wagen.

Die Strafe für seine Tyrannei blieb nicht aus. Der Schwede kam ins Land und zerstörte sein Raubnest. Und zwar standen die Soldaten auf dem Abtsberge drüben, als sie Radegg zusammenschossen. Deswegen findet man im Tale etwa noch einen Pfeil. Die ganze Einwohnerschaft des Schlosses wurde beim Überfall niedergemacht. Einzig eine Tochter Fulachers konnte sich in den Keller retten, wo sie noch einige Zeit mit dem Weine, der in ungemessener Menge dort lag, ihr Leben fristen konnte. Freilich kam sie nicht mehr heraus, weil alles mit Schutt verdeckt wurde. Noch heute wartet das „Kätherli“ auf Befreiung. Sie war eine brave Tochter und hätte ein besseres Los verdient. Ihr böser Vater dagegen, der Zwingherr, fand auch im Tode keine Ruhe. Noch Jahrhunderte lang musste er „wandeln“. Wenn der Hirt das Vieh in die Kühsetze oder an den Seedamm trieb, da kam der Alte und spielte seinen Spuk. Schauerlich ist es gewesen, wenn er mit seiner achtspännigen Kutsche durch das Tal fuhr. Das hat gerauscht, wie der „Laufen“ oder ein großer Sturmwind. Auch auf dem „Kilchweg“ hat man ihn gesehen und oft hat der alte Waldmartin im obern Winkel in der Nähe des Kilchwegs ein Geräusch gehört, dass er meinte, es müsse alles drunter und drüber gehen.

Nur schade war es um den guten Wein und den Haufen Geldes, welche auch im Keller begraben liegen. Früher hat man den Schatz oft „blühen“ sehen. Da brannte nämlich auf der Stelle, da er verschüttet ist, ein helles Licht. Gewisse Leute, nämlich die Fronfastenkinder, konnten es sehen, des Nachts, oder auch am stillen Mittag um 12 Uhr. Aber zum Heben des Schatzes, da gehörten eben verschiedene Bedingungen zu. Vor vielen, vielen Jahren ist ein „fahriger Schuler“ gekommen, der hat versprochen, den Schatz zu holen, wenn alle, die dabei beteiligt seien, kein einziges Wort sprechen. Ein vierspänniger Lastwagen gehöre zum Transport; aber er fürchte, es werde so viel Anstand geben, dass alles verloren gehe. Da hat sich eben Niemand getraut. – Doch hat sich vor etwa hundert Jahren ein Einzelner daran gemacht. Er ist tief hinunter gefahren mit seiner Grube und ist zum Glück bis auf die Truhe gekommen. Aber da ist auf einmal ein altes Männchen daher geschlichen, das hat sonderbar ausgesehen und einen großen Tropfen an der Nase gehabt. Da hat sich eben der Martin aus dem Staub gemacht. Auch der alte Jäger, der überhaupt ein Tausendskünstler gewesen ist und einmal eine Kugel mitten durch den Knopf auf dem Kirchturm geschossen hat, der ist oft in einsamen Stunden auf dem „alten Schloss“ gewesen. Er hat sich dann prahlerisch gerühmt, wie er den Schatz an der Sonne habe liegen sehen. Eine ungeheure Schlange, so groß wie ein Wiesbaum, habe ihn bewacht. Schade, dass nicht ein unschuldiges Kind neben ihm gestanden sei; in diesem Falle hätte er sich unterstehen können und nach der Schlange geschossen; für sich allein habe er den Schuss nicht wagen dürfen, sonst wäre es ihm bös gegangen.

Eine Sage aus dem Klettgau

 

 

Aus: R. Frauenfelder, Sagen und Legenden aus dem Kanton Schaffhausen, Schaffhausen 1933.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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