Der Erdleutchen Kunst und Gunst war nicht gering. Ein Hirt auf Seelisberg lebte mit den Herdmännchen auf bestem Fusse. Sie schauten fleissig zu seinen Sachen und er vergalt es mit mancherlei Spenden an Lebensmitteln oder andern Dingen. Einst musste er in Geschäften fort und hatte gerade niemand, der ihm in seiner Abwesenheit das Vieh besorgte. Darum sprach er zu den Leutchen: „Habe euch schon so manches geschenkt, ihr könntet mir jetzt wohl einmal den Gefallen erweisen und bis ich wiederkomme Futter und Trank meinen Kühen reichen und sie hüten. Sie waren herzlich bereit, wenn nur der bös Wind nicht komme. Damit meinten sie den Föhn. Aber leider, der böse Wind kam und hielt drei bis vier Tage an. Der Bauer war am andern Seeufer und niemand konnte und wollte wegen dem Sturm ihn ans heimatliche Gestade führen; die Herdmännchen waren im Loch und durften nicht heraus, das Vieh war im Stall und hatte seit langem keine Nahrung mehr erhalten, so dass es zum grossen Teil verhungerte. Das war ein vernichtender Anblick für den Mann, als er endlich bei Haus anlangte. Ach, Bruni, die schönste Kuh, war fertig und Laubi schaute noch gebrochenen Auges und mit barmherzigem Blick den Herrn an und verschied. So gutmüthig er sonst war, diesmal entrannen ihm harte Worte gegen seine kleinen Freunde. Allein sie nahmen `s ihm nicht so bös auf und suchten ihn zu trösten. „Bisher ist dir auch viel Milch zu Grunde gegangen, weil du sie nicht zu benützen verstandest. Jetzt wollen wir dich eine Kunst lehren, welche dir den Schaden reich ersetzt, den du wegen dem bösen Wind erlitten hast." Und sie hiessen ihn 's Giebeli, die Geiss, töten. Dann zeigten sie ihm, wie er mit dem Magen derselben Lup und dann Käse bereiten könne. Denn bis jetzt hatte man auf Seelisberg nichts vom Käsen verstanden.
Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.