Wie die trotzige, zwischen Lorze und Schwarzenbach bei Allenwinden, Kanton Zug, auf einem Bühl des Tobels wildschön tronende Wildenburg gefallen sei, wird verschieden erzählt.
Wir gehen nach der gewöhnlichen Überlieferung, der auch der zugerische Geschichtschreiber gefolgt ist, denn sie steht der Mythe näher. „Die von Wildenburg, adelichen Geschlechts, mächtig an Gewalt und Reichtum, sind uralter Abkunft, und scheinen die Burg im Tobel nur lehnweise von den Edlen von Hünenberg besessen zu haben. Ohne Furcht für Ehre und Leben hielten sie in denen Zeiten, welche der Schlacht am Morgarten vorausgingen, zu niemand. Sie raubten, ohne zu unterscheiden; schwelgten damit. - Werner Rycha, so soll der letzte Wildenburger geheissen haben, sah eines Tages aus den Zinnen seiner Burg die schöne Elsener über die Brücke gegen Wulflingen ziehen. Er lässt sie auffangen. Sie ist gegen alle Künste der Verführung und gegen die Drohungen einer aufgeregten Leidenschaft taub. Nur in Freiheit will sie lieben, und indem sie dem Wollüstling Ort und Stunde bezeichnet, lässt sie ihn Erhörung hoffen und benutzt die Freiheit, ihre Ehre durch Rache vertreten zu lassen. Der Vater legt Kleider und Mantel seiner Tochter an, verbutzt und verdeckt sich (und seine Streitaxt) so gut er kann. Schon harrt Werner, sieht das Gewand der Geliebten und eilt - in den Tod. Elsener schneidet des Wildenburgers Schenkel ab, steckt ihn auf seine Helparte, eilt zur Stadt und mahnt zur Rache; mit ihm die Bürger hinaus, stürmen das Schloss und schleifen es. Lange heulte Werners blutiger Schatten in mitternächtlichen Stunden über den Ruinen. Wer den verborgenen Schätzen nachgrub, ward von ihm erwürgt oder über den Felsen gestürzt. - Dem Graben in neuerer Zeit wehrte Ammann und Rat. Das Wildenburgergespenst ward auch als Schimmelreiter gesehen.
Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.