Es war noch im letzten Jahrhundert, als ein frommer, guter Mann in der Triftalp Hirte war. Schon viele Sommer hatte er das Amt versehen. Eines Sommers aber – der Mann war schon mehr als sechzig Jahre alt – war es auf der Alpe nicht mehr recht geheuer. Zweimal in der Woche fehlten dem Hirten am Abend seine eigene schwarz-gescheckte Kuh. Er konnte aufpassen wie er wollte, auf dem Heimweg verschwand die Kuh auf geheimnisvolle Weise. Kam der Hirt dann mit dem übrigen Vieh bei den Alphütten an, sah er seine fehlende Kuh bei den sogenannten Mordsteinen. Sie war dort umgeben von vielen grossen schwarzen Kühen, die mit voller Wucht gegeneinander rannten wie zum Kampfe. Dann sprangen sie in niedrige Höhlen hinein, kamen als kleine, rundliche Hexen mit Kuhhörnern wieder heraus und belästigten die schwarzgescheckte Kuh. Das dauerte eine Weile. Dann begleiteten die sich ständig wandelnden Tiere die Kuh des Hirten auf den Heimweg und nahmen sie dabei schön in die Mitte. Wie sie zum ersten Steg kamen, wo es auf einer Tafel hiess: «Gelobt sei Jesus Christus!» verschwanden die sonderbaren Begleiter. Die Kuh des Hirten tropfte vor Schweiss und ging zitternd den Hütten zu.
Das dauerte mehrere Wochen lang, bis der Pfarrer von Saas-Grund die Alpe segnete. Dann hörte es auf.
SAAS-GRUND
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch