Das Dorf Täsch stand früher am Orte, wo es heute heisst "im Täschgufer". Da wohnten nicht gerade sehr viele Leute, dafür aber reiche und geizige.
Einst kehrte am späten Abend ein hungriger Mann bei einer reichen Bäuerin ein und bat sie um Speise und Nachtlager. Die Frau sott eben Butter ein, wollte dem Fremden aber nichts geben. Vielmehr schrie sie ihn an, war frech mit ihm, beschimpfte ihn und jagte ihn hungrig weg. Traurig zog der Mann weiter, hinüber auf die andere Seite der Vispe, ins Schali. Da war damals auch ein Dorf. An Fronleichnam kamen dorther zwölf bemäntelte Vorsteher und zwanzig Paar Vorbräute zur Prozession, alle in weisses Landtuch gekleidet.
Hier im Schali kehrte der Bettler bei einer armen Witwe ein. Sie hatte selber nichts als ein Huhn im Stall und ein bisschen Fett im Topf. Diese Frau bat er nun, ob sie ihm etwas zu essen geben könnte und ob er hier schlafen dürfte.
Die Witwe schlachtete ihr letztes Huhn und briet es mit ihrem letzten Fett im Topfe. Nachher bereitete sie dem Fremden ein sauberes Nachtlager.
Der arme Mann dankte herzlich und sagte vor dem Schlafengehen, wenn sie in der Nacht etwa rumpeln und krachen höre, solle sie keine Angst haben, ihr werde sicher nichts passieren.
Am Morgen war der Mann weg, und das alte Täsch war unter dem Täschgufer begraben. Die Witwe fand ihr Huhn lebendig im Stall, und das Fett war wieder im Topf.
So erzählte es uns der Grossvater. Im Täschgufer fliesst noch heute ein Brunnen. Da heisst es, er komme gerade da heraus, wo einst der Altar der Dorfkirche stand.
TÄSCH
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch