Altpfarrer Kronig von Törbel hatte seine theologischen Studien in Wien gemacht. Leider besass Kronig ein Kröpfchen, welches das junge Studentlein mit den hellen Augen arg missgestaltete. Bei der ersten Vorstellung in Wien war man daher sehr enttäuscht, und man glaubte gar, das Wallis erkühne sich, mit den Wienern Spott zu treiben. Die gelehrten Herren der Universität wollten den Studenten nicht annehmen und ins Wallis zurückschicken; doch könne man probieren. Und siehe, der Walliser übertraf alle an Talent und Wissen.
Nach vollendeten Studien wurde Kronig in Sitten bischöflicher Kanzler. Als nun der päpstliche Nuntius von Luzern ins Wallis reiste, um den neuerwählten Bischof zu weihen, wurde auch Kanzler Kronig zum Empfange des Legaten an die Landesgrenze abgeordnet. Hier empfing Kronig den Legaten mit einer glänzenden lateinischen Rede. Der Gesandte stutzte und äusserte verwundert: «Was wird erst der Fürst sein, wenn sein Kanzler eine solche Gelehrsamkeit hat?»
Wie jedoch der Legat nach Sitten kam und ihm der Bischof vorgestellt wurde, ward er enttäuscht, und er wollte nicht mehr den Erwählten, sondern Kanzler Kronig zum Bischof weihen. Das Domkapitel aber bedeutete ihm, er solle nur den Erkorenen weihen, den Bischof spiele Kronig schon selbst.
TÖRBEL
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch