Die Leute lebten im Goms vor achtzig bis hundert Jahren noch sehr einfach. Vor dieser Zeit gab es noch keinen Krämer dort, und als der erste aus Italien eingewandert war, hiess es, an einem Sack Reis und an einem Zuckerstock habe er ein Jahr lang zu verkaufen.
Die Gommer machten früher grosse Bittprozessionen nach Glis, in den Ernerwald, aufs Ritzingerfeld, ins Gerental. Die dauerten oft von einer Nacht um zwölf Uhr bis zur andern Nacht um zwölf Uhr. Alle Leute, junge und alte, die ihr Gehwerk einigermassen in Ordnung hatten, mussten daran teilnehmen. Die Prozession nach Glis dauerte ursprünglich sogar zwei Tage und hiess "Kalte Prozession", weil sie gegen den Frost helfen sollte.
Es gab Hungersnöte. Ich weiss wie mein Grossvater noch erzählte, eines Jahres habe es fast nicht geapert. Mitte August sei man erst in die Alpe gefahren und am vierten Herbstmonat habe es schon eingeschneit.
Die Kartoffeln waren nur klein und winzig. Die Kartoffelgrube im Keller habe man vernageln müssen, sonst hätte man im folgenden Jahr keinen Samen mehr gehabt. In diesem Winter durfte man nur zweimal Kartoffeln essen: einmal an Weihnachten und das zweite Mal an Fastnachten. Heu sei auch wenig gewachsen, das Vieh habe man im Winter mit "Chris" und "Grap" füttern müssen. Die Kühe gaben so auch nur wenig Milch und die Not war äusserst gross.
MÜNSTER
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch