Es war zur Zeit, als die Heere der Verbündeten durch Basel nach Frankreich zogen, um den Kaiser Napoleon zu demütigen. Die Soldaten mussten einquartiert und verproviantiert werden. Das konnte die Stadt Basel nicht allein bewältigen. Nun zog einer der Offiziere die Landkarte hervor und forschte darin, wo er seine Soldaten unterbringen könnte. Da las er den Namen St. Pantaleon. Er brach nun unverzüglich mit seinen Soldaten auf nach dieser vermeintlichen Stadt. Als er aber über Schauenburg kam, sah er vor sich ein kleines, armes Nestchen. Was sollte er mit seinen hungrigen und müden Soldaten anfangen? Sie mussten sich alle auf die kleinen umliegenden Dörfer verteilen.
So kam auch ein Trupp Russen nach Seltisberg. Dass so ein grosser Feldzug die im Grunde gutmütigen Russen nicht feiner machte, kann man wohl begreifen; mussten sie doch alles, Frau und Kinder, Haus, Land und Vieh zurücklassen und in die Fremde ziehen, um vielleicht nie wiederzukehren.
Da wurden auch in einem Seltisberger Bauernhause einige Russen einquartiert. Zum Mittagessen hatten sie Suppe und Speck. Vom Speck liessen sie noch übrig und gingen aus dem Haus. Als sie fort waren, setzten sich die Bauersleute an den Tisch und assen den übrig gebliebenen Speck. Am Abend kehrten die Soldaten zurück und verlangten den Speck. Aber der war nicht mehr vorhanden. Die Leute konnten lange sagen, sie hätten ihn gegessen. Die Russen verstanden sie wohl nicht recht und verlangten, immer wilder werdend, den Speck.
Zu der betreffenden Haushaltung gehörten drei grosse, starke Männer. Der eine von ihnen trat nun in die Stube und rief mit Donnerstimme, indem er auf den Tisch hieb: «Was wei die Donnere?» Dann nahm er einen festen Munifisel zur Hand und jagte die Russen zur Stube hinaus. Die Soldaten rannten durchs Dorf und riefen in einem fort: «Der Bauer schlägt, der Bauer schlägt!» Nach kurzer Zeit sprengten drei Berittene mit gezückten Säbeln durchs Dorf auf das Haus zu. Als das die drei Bauern durchs Fenster sahen, merkten sie, dass es bös herauskommen könnte und flüchteten sich. Die Russen ihnen nach.
Den einen Bauern erwischten sie bald. Einer der Russen hieb ihn mit dem Säbelrücken auf den Kopf. Der Bauer hielt einen Arm zum Schutze über den Kopf. Als der Russe von ihm liess, war der Arm ganz blau. Wohl an den Folgen dieser Schläge starb dieser starke Mann schon zwei Wochen nachher.
Der zweite Bauer flüchtete in die Scheune, stieg immer höher und höher auf den Garbenstock, bis unters Dach und liess sich hinter dem Garbenstock hinunter. Sein Verfolger aber war ihm dicht auf den Fersen. Da, wo er den Bauer versteckt glaubte, stach er mit seinem langen Säbel hinunter. Glücklicherweise traf er nicht. Später sagte der Bauer: «Ich glaubte jeden Augenblick, der Säbel durchsteche meinen Kopf.» Doch von dem ausgestandenen Schrecken wurde auch er krank und lebte nur noch zwei Jahre.
Der dritte Bauer flüchtete hinten zum Hause hinaus, durch die Gärten aufs Feld. Früher war jedes Stück Land von einem hohen Lebhag umgeben. Über jeden setzte er hinweg. Der ihn verfolgende Russe lief ihm nach, bis er genug hatte. Dann kehrte er um. Der Bauer aber sprang über jeden, noch so hohen Hag bis ins Tal hinunter, bis er merkte, dass er nicht mehr verfolgt wurde. Er erzählte später: «Kein Hag war mir zu hoch!» Er allein kam mit dem Leben davon.
Quelle: G. Müller/P. Suter, Sagen aus Baselland, Liestal 1939.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch