In alten Zeiten kam im ganzen Land häufig Unglück vor beim Holzfällen. Das rührte davon her, dass die Leute allemal, wenn der Baum fiel, davon flohen, ohne darauf zu achten, auf welche Seite er fiel. Auf diese Weise geschah es dann häufig, dass sie vom Stamme oder von einem Aste getroffen und entweder tot geschlagen oder schwer verletzt wurden. Daher war das Holzfällen eine sehr gefährliche Arbeit, man fällte so wenig als möglich und behalf sich mit dem gefallenen und vom Sturm geworfenen Holze. Wie man aber von einem wilden Männlein mit geringerer Gefahr Holz fällen lernte, das trug sich folgendermassen zu.
Man wusste zwar schon lange, dass die wilden Männlein ein solches Geheimmittel kannten. Sie teilten es aber nicht mit. Einmal nun, als ein Mann in einem Walde eine hohe, gewaltige Tanne fällte, welche zu einem Hauptbalken für einen Rathausdachstuhl bestimmt war, gesellte sich ein wildes Männlein zu ihm und hüpfte um ihn herum, sprang wie ein Gemschen hin und her und wechselte viel lustige Reden mit dem Holzfäller. Als nun die Tanne fiel, da eilte dieser aus Leibeskräften fort, das Männlein aber floh gar nicht und doch wurde es von der Tanne nicht getroffen. Der Holzfäller kam mit der Angst davon, er merkte aber nicht, wie das Männlein es gemacht hatte, dass es so sicher in der Nähe geblieben war. Nächster Tage kam der Holzfäller wieder an die nämliche Stelle, um eine andere Tanne zu fällen und das wilde Männlein stellte sich auch wieder ein. Der Holzfäller wusste wohl, dass er das Männlein vergeblich um sein Geheimnis anfragen würde und fing daher die Sache anders an. Er sagte ganz frisch zu dem Männlein: „Jetzt weiss ich denn, wie ihr es anfangt, dass ihr nicht ungefällig (unglücklich) werdet beim Holzfällen, ich habe es das letztemal, als du da warst, gesehen, jetzt ist mir nicht mehr bange bei dieser Arbeit." Da gab das Männlein zur Antwort: „Ja gelt, du hast gesehen, ich bin neben dem Stamm geblieben und habe geschaut, wo die Tanne hinfalle und da bin ich bloss auf die Seite gewichen und so konnten mich weder Stamm noch Äste treffen."
Seit dieser Zeit wurden dann weniger Leute beim Holzfällen unglücklich.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.