Am Abhange des Höhengrates der Suleck im Berner Oberlande liegen mehrere Alpen, die ein altes Lied so charakterisiert:
Suls, die höchst',
Saus, die gröst',
Bellen, die wild'st',
Nessleren, die wärmst',
Inder (inner) Berg, die kältst',
Ausser Berg, die ungefällst'.
Die Volkssage erzählt von einem Hirten der Sulsalp, welcher einst einen kunstreich geformten Schlüssel fand, der ihm die Türe zu einer früher nie gesehenen Höhle des Berges öffnete. Im Innern blendete ihn der Glanz der kostbarsten Steine, und eine Jungfrau, die seit mehr als hundert Jahren hier ihrer Erlösung harret, bot ihm drei Gaben zur Auswahl an: einen Hafen (Topf) voll Geld, eine güldene Kuhschelle oder sich selbst nebst allem Übrigen. Da kam ihm sein Bethli in den Sinn, und er wählte die zweite Gabe. Ergrimmt hierüber kündigte ihm die Jungfrau Fluch und Schande an. Unter dem Krachen der Gewölbe ward er von unsichtbarer Macht hinausgeworfen, und draussen auf dem Rasen fand er die güldene Schelle neben sich liegen.
Ruhelos wanderte er in die weite Welt. Da kam er einst zu einer einsamen Hütte, vor welcher ein altes Männchen Holz spaltete. Als ihm von dessen Vater die Nachtherberge gewährt worden, ist er in die Hütte getreten. In derselben traf er ein steinaltes, gekrümmtes Männchen hinter dem Tische sitzend an. Diesem musste er seine Schicksale erzählen, und als er geendet hatte, erhub sich der Alte und sagte zu ihm: Gastfreundschaft halte ich heilig, das ist dein Glück. Ich beherberge dich diese Nacht, aber morgen in aller Frühe packe dich wieder fort. Es ward dir die Gelegenheit vergönnt, der Retter meiner Tochter zu werden, und du hast sie, vielleicht auf ewig, unglücklich gemacht.
Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch