Unweit Brienz soll ein Tal, Tiefital oder Teufital genannt, vor Alters seine bleibenden Bewohner auch während der Winterzeit gehabt haben; jetzt aber zeigt nur das Örtlein Engi hier ein paar Winterbehausungen. Jenes Tal indes hat noch einige uralte Häuser, die unter dem Namen der Heidenhäuser bekannt, nach der Meinung der Landleute aus der Zeit des Heidentums herrühren sollen, und jetzt nur des Sommers noch für einige Frist den Besuch der Eigentümer erhalten.
Zwischen dem Faulhorn und Rötihorn finden sich in einem ziemlich ebenen Talboden jetzt grosse Schneelager neben einzelnen Plätzen von guter Gartenerde, die schon keine Kräuter mehr nährt. Vor Jahren entdeckte man hier noch Baumstämme, welche ganz in der Erde begraben lagen und von undenklicher Zeit herrühren. Man erzählt, es habe vor Alters auf dieser Stelle ein freundliches Dorf, mit Namen "zur Gossen", gestanden. Auch Meiringen wird von den Haslern meist "an der Gossen" genannt. In jenem Dorfe am Faulhorn soll einst ein Mägdlein beim Brunnen einen Eiszapfen gefunden und ihn als ein seltsames unbekanntes Ding seinem Meister gebracht haben, um zu vernehmen, was das sei. Aber der Meister sagte betrübt: "Das ist ein Zeichen von kalter und böser Zeit, die heranrücken will." Allmählich verwilderte die Gegend, und keine Sennhütte steht mehr da, wo sonst ein schönes Winterdorf gestanden.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.