In der Nähe der Stadt Zofingen nennt man im Finkenhardwalde einen Hügel das Schloss Finkenstein. Ein da hervorragendes Stück Nagelfluh giebt man für den letzten Mauerrest der versunkenen Burg aus; es sei, sagt man, durch die Länge der Zeit zu dieser unsprengbaren Masse verhärtet worden. Ein ziemlich neues Häuschen steht in der Nähe, und man behauptet, der Eigenthümer habe es nur zu dem Zwecke erbaut, um hier unangefochten von der wachsamen Obrigkeit auf eigenem Grund und Boden den darinnen verborgenen Schätzen nachgraben zu können. Bei jenem Nagelfluhblock nämlich, auf der Nordostseite des Hügels, soll sich noch ein verschütteter Eingang verrathen, der im Innern zu einem eisernen Thore führt, und wer durch dieses einzudringen vermöchte, der würde in dem unterirdischen Gange von hier aus bis unter das Chorherrenstift in Zofingen gelangen.
Die Ritterschaft von Finkenstein kommt des Nachts in zwei bis drei Kutschen vor das obere Thor von Zofingen gefahren. Wenn da ehemals die Thorwächter das Wiehern, Peitschenknallen und ein vielhufiges Herantraben hörten, sprangen sie eilig zum Thore, und hofften durch schnelles Oeffnen ein gutes Trinkgeld zu verdienen. Dann aber jagte der ganze Zug mit grausigem Geheule, statt durchs Thor, entweder um den Stadtgraben herum, oder er fuhr durch die Luft über das Thor weg und setzte erst beim Rothen Häuschen aufs Strassenpflaster auf. Von da fuhren sie hinauf zur Stadtschreiberei und zum St. Urbanshof, lauter schwarze Männer sassen drinnen, alle hauptlos. Aus dem Kopfe, den sie unter dem Arme hielten, schaute ein stechender feuriger Blick. Die Kutschenräder ächzten unter ihrer schweren Last.
Eine andere Kutsche von ähnlicher Art kommt von der Ruine von Botenstein her (vergl. No. 106), ungefähr eine Stunde von Zofingen entfernt, und fährt achtspännig nach Botenwil durch den Forst zu einer anderen Burg hinüber, welche Hargart geheissen haben soll. Das Knallen der Peitschen, Bellen der Hunde, das Tosen und Rasseln der Wagenräder und das Hallogeschrei der Jäger soll in diesen Waldstrichen oft ins Furchtbare anwachsen. Rechts an der Strasse im Thal steht ein vereinzeltes zum Dorfe Botenwil gehörendes Haus. Bis auf unsere Zeit hat dasselbe niemals ein Thor an seiner Scheuer haben können, immer musste es seine Tenne offen halten. Denn gerade durch diese hindurch kommen die Jäger im schärfsten Galopp gesprengt und hinter ihnen die ganze Meute weisser Hunde.
Der Jäger, der sie anführt, heisst der Landluegi, er beschaut des Nachts alle Landstriche, Wald und Feld und wer ihm seinen Weidschrei nachzuspotten wagt, dem schleudert er einen Rossknochen ins Bett. Die Folge davon ist aber, dass man lahme Glieder bekommt.
Auf jener Ruine Botenstein beschworen einst drei Männer aus Zofingen den Teufel um Geld; der eine hieng dazu eine Kuhhaut mit den Hörnern um, der andere setzte sich mitten in den Kreis auf einen Hafen, und der dritte sagte dazu das Christoffelgebet her. Sie erhielten so wirklich Geld, aber einen blossen einzigen Rappen. In dem Streite, den sie über dessen Besitz erhoben, verlautete ihr Unternehmen, sie wurden eingezogen und der Rädelsführer musste in seiner Kuhhaut nach Bern ins Schellenwerk (Zuchthaus) marschieren.
Südwestlich gegen Zofingen her hört man häufig in trüben Nächten ein heftiges Kanonieren aus vielen Geschützen; dies sind die Rothenburger. Auf dem Weissenberge hört man sie förmlich exercieren, Trompete, Trommel und Kommandoruf fehlt nicht. Nach der gewöhnlichen Erklärung sind die Rothenburger Schlossherren im benachbarten Solothurnerlande gewesen, und baben zur Strafe ihrer vielen grausamen Fehden nun auch im Tode ihr rauflustiges Wesen fort zu treiben.
Noch ein anderer Zug der W. Jagd ist dem Wiggernthale gleichfalls bekannt, das Gutes Heer. Dasselbe geht bis nach Niederwil an die Aare hinab. Dorten zeigen sich Ueberreste alter Erdschanzen, die vom Flusse weg über den Buchrain quer durchs Thal gereicht und es gegen einen andringenden Feind abgesperrt haben sollen. Dieser gefürchtete Feind war der Dietrich und ihm zum Hohne heisst die Hauptstelle jenes Walles im Walde Dietewart, Dietrichs Warte. Bei jeder Witterungsänderung hört man hier Trompeten und Waffengetöse.
Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch