Weidknaben bei Vilmergen hüteten ihre Geissen am Wiesenrain gegen einen Waldsaum, als sie bei einem Grenzsteine einer schwarzen Gestalt begegneten und in Schreck sogleich entliefen. Der kleinste von ihnen rief anfangs den Kameraden zu: „Haltet, es ist ja mein Götti!“ Da sie aber nicht aufzuhalten waren, gieng er ihnen ebenfalls nach und erzählte daheim mit aller Freude, er habe seinen lieben Götti wieder gesehen. Es half der Einwand nichts, dass dieser ja schon gestorben sei. Der Knabe blieb auf seiner Behauptung. Also dachte man daran, dem Geist zur Ruhe zu verhelfen. Man versah das Büblein mit allerhand geweihten Sachen, um sich folgenden Tages wieder an jene Waldstelle hinaus zu begeben. Doch musste er auch Karst und Schaufel mit sich nehmen. Und wenn dann das Gespenst dergleichen thun würde, als wolle es im Boden arbeiten, so sollte ihm der Kleine diese Werkzeuge stillschweigend nur einhändigen. So geschah`s. Der Götti gieng bereits gekrümmt um einen zwischen der Waldwiese und dem Nachbargut stehenden Grenzstein herum, als sein Pathenkind hinauskam. Er erhielt die mitgebrachten Werkzeuge, grub damit den Stein aus und setzte ihn an eine andere Stelle weiter zurück. Und als dann alles in kürzester Zeit abgethan war, begann er: „Nun bin ich erlöst, und du, mein liebes Gotte, bist dafür nach drei Tagen auch ein Kind der Seligkeit.“ Das Büblein starb nach drei Tagen.
Quelle: E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch