Wo jetzt der kleine, sumpfige See, stand einst eine Alphütte. Eines Abends war in dieser die ganze Alpdienerschaft beim Essen. Ein blödsinniger Armer kam und bat hungrig um eine Gabe. «Wart, ich will dir Nidel (Rahm) geben», sagte der Senn, goss Milch in ein Gefäss, drückte Magen hinein (das Mittel, die Milch zu Käse gerinnen zu machen; nicht zu essen, oder wenn man es tut, grosse Schmerzen verursachend).
Als die Milch durch das Übermass von Magen schnell dick geworden war, gab sie der Senn dem Blödsinnigen mit den Worten: «Schau wie dicke, fette Nidel.» Dieser tanzte vor Freuden über die seltene Speise und verschlang sie gierig unter dem Spott und Gelächter der Alpendiener. Bald stellten sich die Schmerzen ein, so heftig, dass der Senn seine Tat bereute. Aber es war zu spät. Der Arme starb, seine Mörder verfluchend. In der Nacht kam ein schreckliches Gewitter über die Alp. Wasser der Tiefe kamen dem strömenden Regen entgegen und Senn und Hirten ertranken; nur der unschuldige Hüttenbube konnte ins Dorf fliehen, wo er die Geschichte erzählte. Als die Bauern hinaufkamen, fanden sie an Stelle der Hütte den See; und wenn die Wellen vomWinde bewegt wurden, rollten in demselben Milchgefässe und Alpkessel herum. Ein schwarzer, trauriger Pudel, den Hut des Sennen auf dem Kopf, hielt Wache. Dieser Spuk wiederholte sich oft bei Gewitterstürmen.
Aus: U. Brunold-Bigler, Die Sagensammlung der Nina Camenisch, Disentis 1987, mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.