Früher getraute sich kein Bürger bei Nacht in der Fricker Gemeindstrotte Trauben zu pressen. Denn die Alten berichteten von einem hässlichen hageren Manne, der dem Arbeiter Wasser in die Mostbütten schütte, das Pressbett falsch stelle, und jeden, der ihm dies wehren wolle, ungeschaffen mache, dass man ein Aussehen bekomme, wie eine aufgeblasene Kalbshaut. Jedes Mal, wenn die Mutter von dem Ungeheuer erzählt, macht sie die Kinder auf dessen Gewalt aufmerksam, sich in alle möglichen Gestalten wandeln zu können, und ermahnt die Kleinen, wenn sie des Nachts etwa beim Krämer noch Kaffee holen, und also gerade bei jener Trotte vorbeigehen müssen, sich ja fleissig zu bekreuzen, damit ihnen der Geist kein Leid zufüge. Ich rede, spricht sie, aus einer traurigen Erfahrung! denn der Vater gieng einmal zur Nachtzeit aus dem Hause und eben auch an jenem Orte vorbei, ohne dass er sich mit Weihwasser besprengt hatte, da sah er den gefürchteten Geist in Riesengestalt herzutreten, in der Hand einen Spiess, einen Weidsack umgeschnallt und einen Dreiröhrenhut auf dem Kopfe. Der Anblick war so schreckhaft, dass der Vater in eine stundenlange Ohnmacht fiel. Als wir ihn fanden, war ihm der Kopf bis zur Grösse eines Viertels angeschwollen, die Augen feuerroth aufgetrieben, und athmen musste er, als läge der ganze Homberg auf ihm.
Aber nicht nur deshalb ist der Geist gefürchtet, auch durch Stehlen setzt er die Nachbarn in Besorgnis. So nimmt er im Sommer die reifen Kirschen frech von den Bäumen, schüttelt im Herbst die Birnen und nicht selten holt er dem Büchsenschmied noch die Weihnachtsnuss aus der Obstkammer; und was er dabei nicht stiehlt, das ruiniert er doch. Er wirft die Ziegel von den Dächern, würgt die jungen Hühner vor dem Fenster ab, knickt die Pfropfschösslinge, schlägt die Scheiben ein, macht die Schweine krank, und plagt das Vieh dergestalt, dass sie in jedem Stall einen Schafbock halten müssen. Die Unterdörfer wollten einst dem Übel abhelfen und den Geist durch Kapuziner beschwören lassen. Allein dieselben konnten ihm nichts anhaben, so sehr alles betete und so gut sie ihn auch fiengen. Schon trugen ihn vier Männer auf einer Mistbahre im Kupferkessel in den Wald. Betend giengen die Kapuziner dahinterher; als einer der Träger unter der immer schwerer werdenden Last leise zu seufzen anfieng: „Dass dich der ....!“ und wie vom Sturmwind ergriffen flog der Kessel in die Höhe — wohin? weiss Niemand. Der Geist aber hatte wieder seine alte Wohnung bezogen und that nun ärger als zuvor.
Auf dem Schlosse — so heisst ein Theil des Dorfes — gilt er auch als ein guter Wetterprophet, und so oft die Witterung ändern will, bläst er der Hebamme das Feuer auf dem Herd aus oder fährt brennend durch den Schornstein.
Die Gestalten, in denen er sich heute noch am öftesten zeigt, sind folgende. Als rother Hund mit baumlangem Schweif kommt er mit grossem Geräusche durch den Bach herauf, hütet die Brücke und lässt niemand darüber, und verschwindet dann unter der Laube eines benachbarten Hauses, wo er überhaupt seinen Aufenthaltsort haben soll. Sein Herankommen gleicht dem von vier Pferden in der Schwemme. Ein andermal reitet im Heihalderbach ein Mann mit Degen, Dreispitzhütchen und einem langen Mantel auf einem Schimmel. Sein Weg geht immer im Bache von des Maurers Haus im Hinterdorfe bis hinab zur untern Trotte. Bei dem Hause an der Brücke reitet er dann wie ein wachhaltender Offizier auf und ab. Einst gieng ein Jagdliebhaber Morgens vor Tag auf den Anstand und kam auf seinem Wege hinter den Baumgärten des Dorfes an diese Stelle. Er schleppte ein grosses Schinkenbein hinter sich her, das er den Füchsen als Luder legen wollte. Hier stand er plötzlich vor dem Schimmelreiter, das Ross that so ungestüm und bäumte sich, als wollte es ihn in die Erde treten. Der Reiter schwenkte plötzlich, und der Jäger kam mit dem blossen Schrecken davon; aber sein Schinkenbein hatte er in der Angst verloren.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch