Der Bachplätschi in Lengnau

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Das Lengnauer - Dorftier kommt meistens in Gestalt eines schwarzen Pudels gelaufen, schwadert Nachts im Bache herum, sperrt die Brücke und spielt den Darübergehenden allerlei Possen. Es muss wandeln, bis es die ewige Ruhe verdient hat. Die Sage von diesem Bach- oder Nachtplätschi ist im Surbthale genugsam verbreitet und reicht vom Dorfe Döttingen an der Aare bis zur Zürchergrenze, allein über die wesentliche Bedeutung desselben ist man theils ungewiss, theils kümmert man sich nicht mehr darum. Ein älterer Mann hat sich darüber also erklärt.

Als zur Zeit der Reformation auch im Surbthale viele Leute sich der neuen Lehre zugewendet hatten und die beiden Glaubensparteien darüber in Unfrieden kamen, war in Döttingen ein General im Quartier, der sich für Zwingli's Grundsätze besonders eifrig zeigte. Er wollte endlich alle, welche hier noch im alten Glauben verharrten, zusammen in einer Nacht durch seine Soldaten ausrotten lassen und befahl den Neugläubigen, diese Mordnacht hindurch die Fensterladen ungeschlossen zu halten, und in ihren Stuben brennende Kerzen aufzustellen.

Allein das Vorhaben wurde verrathen, auch die Katholiken zündeten Lichter an und die Sache schlug fehl. So weit nun damals die Vertilgung gehen sollte, von der Mündung der Surbe in die Aare, durch das Surbthal bis an die Zürchergrenze, muss jetzt der General als schwarzer Hund spuken.

Eine andere Erzählung über den Ursprung dieses Gespenstes lautet folgendermassen: Pilatus, der wegen seines ungerechten Urtheils über den Heiland ruhelos wandeln muss und sich meistentheils in den nächsten Gegenden um den Pilatusberg aufhält, macht zuweilen seinem Gelobten Lande wieder einen Besuch und nimmt dann den Weg dahin allemal durch das Surbthal. Da er aber ein Unhold ist, so kann er nur in verwünschter Gestalt seinen Marsch antreten und zwar bald als Pferd und Füllen, bald als Kalb oder Hund. So erscheint er dann den Leuten, welche Nachts verbotene Wege gehen oder betrunken aus den Wirthshäusern kommen, und da solche selten jemand friedlich vorbeilassen, so tragen sie denn bei diesen Begegnungen einen tüchtig geschwollenen Kopf davon. Auch jene Kiltgänger bleiben dabei nicht ungestraft, welche in den Sonntagsnächten gewöhnlich sehr spät von ihren Mädchen heimkehren und lärmend über die Brücke gelaufen kommen. Weil er das Schreien hasst, hat er auch den Nachtwächter schon gefoppt, der die Stunde ruft. Dieser fieng einmal in Unter- Lengnau ein ledig herumlaufendes Pferd in der Meinung, es sei einer der Schimmel aus der dortigen Mühle. Die herausgerufenen Müllerknechte erkannten es auch für das ihrige, allein sowie man es nahm, um es in den Stall zu thun, bäumte es sich und entsprang. Ebenso gieng es daselbst mit einem unvermuthet gefangenen Füllen; es liess sich gutwillig bis zur Dachtraufe führen, da aber war es ihnen unter den Händen verschwunden und sie sahen sich geprellt. In Ober- Lengnau lief es als Kalb umher und riss zuletzt auf gleiche Weise dem Bauern wieder aus, der's an seinem Halstuche bis unters Dach gebracht hatte. Zwei Weiber, welche am Bache des Nachts ihre Wäsche hüteten, sahen den Geist als Pudel im Wasser daher kommen. Die eine, die ihn für einen gewöhnlichen Hund hielt und verjagen wollte, musste dies damit büssen, dass sie nachmals die Surbbrücke niemals mehr ohne die Begegnung dieses Unholdes passieren konnte.

Es ist Regel, dass ein Bräutigam zwei Wochen vor seiner Hochzeit Nachts nicht mehr die Dachtraufe seiner Wohnung überschreite. An diesen Brauch kehrte sich ein Lengnauer nicht, sondern kam während dieser Frist einst sehr spät von seiner Verlobten heimgegangen. Die Braut hatte ihn beim Abschied noch besonders gemahnt, nur auf der gewohnten Strasse und auch da recht stille nach Hause zu gehen und mit Niemandem irgend ein Wort zu wechseln. Trotz dieser Warnung wählte nun der junge Waghals nicht die Strasse, sondern einen kleinen Fusspfad längs der Surbe. Hier stiess er auf einen Mann von seiner Grösse, der ihm den Weg versperrte. Der Liebhaber liess sich nicht lange aufs Fragen ein, riss einen Pfahl aus der nächsten Hecke und schlug blind darein. Aber bei jedem Streiche wuchs die Gestalt seines Gegners höher und die Augen wurden pures Feuer, während der Bursche so todmüde wurde, als hätte er sich selber durchgeprügelt. Als er endlich heimkam, war er wie ein Viertel geschwollen und ganz kahlköpfig geworden. Seit den letzten zwanzig Jahren will man den Bachplätschi nicht wieder gesehen haben.

Quelle: E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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