In der Nähe des Dorfes Brenzikofen hat die zu Zeiten wilde Rothachen eine tiefe Schlucht ausgewaschen. Dort, wo bei geringem Wasserstand des Baches ein keckes Wässerlein über die Felswand hinausspringt, führte früher eine finstere Höhle tief in den Berg hinein. Sie diente den graubärtigen Zwerglein mit ihren roten Zipfelkappen und ihren winzigen Laternchen lange Zeit als Wohnung. In der Nacht kamen sie zuweilen aus ihrem dunklen Versteck hervor und streuten Goldkörner, die sie in ihrer Höhle aufgespeichert hatten, in den Bach. Die Leute von Brenzikofen, die fleissig danach suchten, fanden das Gold und wurden reich. Manchmal stiegen die kühnen Wichte auf die Falkenfluh hinauf und erwiesen den Leuten von Bleiken ihre Wohltaten. Sie mähten das Gras, rüsteten das Futter, pflückten im Herbst das Obst von den Bäumen und stellten es in Körben vor die Häuser. Trat der Bauer in den Stall, so waren die Kühe meist schon gemolken und die Milch zu prächtigen Butterballen verarbeitet. Das ging viele Jahre so. Einmal aber ging ein Bauer zu einem Schneider und liess bei ihm zwölf halbleinene Kleidchen machen. Er legte sie am nächsten Abend im Stall für die Zwerglein zurecht. Das muss sie sehr erzürnt haben, denn seither sah man sie nie mehr. Ein furchtbares Gewitter zerschlug die Felder und Gärten. Die Höhle in der Schlucht stürzte zusammen, und seither ist in der Rothachen kein Gold mehr gefunden worden.
Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.