Im Rappenloch, einer Felshöhle in Röthenbach, hauste vor Zeiten ein munteres Zwergenvolk, das nach seiner Flucht aus dem Haslital hier eine neue Heimat gefunden hatte.
Einst erschienen mitten in der Nacht bei einer Frau des Dorfes, die im Tal als in der Heilkunst besonders erfahren bekannt war, zwei Erdleutlein. Sie baten sie dringend, mit ihnen zu kommen, denn es läge eines ihrer Weiblein daheim in schweren Fiebern. Die Frau misstraute anfänglich den Leutchen und getraute sich nicht mit ihnen zu gehen. Endlich überwand sie aber die Furcht und gab den dringenden Bitten der Kleinen nach. Munter eilten sie, ihr den Weg weisend, voran und kamen an die Felsenhöhle des Rappenloches, die sich mit ihren vielen Gängen bis tief in den Berg hinein ausdehnte. Am Ende einer dieser Gänge betraten sie ein enges, prachtvoll ausgestattetes Gemach. In einem kostbaren Bette lag das Weiblein. Nachdem die Frau den nötigen Beistand geleistet hatte, begleiteten sie die beiden Erdmännlein wieder aus der Höhle heraus. Bevor sie aber ins Freie traten, füllten sie der Frau zum Dank für ihre Mühe die Schürze mit Kohlen, die am Eingang der Höhle in grossen Haufen aufgeschichtet lagen.
Die Frau, der die Gabe für ihre Mühe doch etwas gering vorkam, liess auf dem Heimweg den grössern Teil der Kohlen zu Boden fallen, ja, sie hätte wohl alle weggeworfen, wenn sie sich nicht heimlich vor den Erdmännlein gefürchtet hätte, die ihr noch aus der Höhle nachriefen : « Je mehr du zerstreust, um so mehr du's bereust! » Glücklich kam sie nach Hause und warf ärgerlich den Rest der Kohlen auf die Feuerplatte. Wie staunte sie aber, als sie bemerkte, dass sich die garstigen schwarzen Dinger in lauter blanke Goldklumpen verwandelt hatten. Schnell eilte die Frau den Weg zurück, um die weggeworfenen Stücke aufzuheben. Aber umsonst. Da war kein einziges mehr davon zu finden.
* Derselbe Sagenstoff wird auch für Rohrbach und das Schangnau bezeugt. M. Sooder, Sagen aus Rohrbach und Dr. Hans Zahler, Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Band XV, Basel 1911.
Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.