Gletscherfrau

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

1. Ein frommer, braver Schächentaler hat erzählt, er sei einmal an einem kalten Wintermorgen in aller Frühe nach Altdorf gekommen. Da sei ihm oben im Hellgässli i allem Schnütt ein Weibervolk begegnet, das, einen Stock in der Hand, einen grossen Schlätterhüet auf dem Kopfe, an ihm vorbeischoss. Er wünschte ihm den »Guten Morgen« an, bekam aber keine Antwort. Da kehrte er sich um und rief nochmals den nämlichen Gruss. Das Wybervölchli schaute nur so über die Achsel nach ihm zurück und hastete weiter. »Güetä Morget! ha-n-i gsäit,« schrie er ihm nach. Jetzt wandte sich die Unbekannte doch einen Augenblick um und rief ihm zu: »Häb-mi nid üff! Ich bi vor wenigä-n-Äugäblickä gstorbä und my Lybb lytt nu warmä-n-uf'm Seelisberg ussä-n-uf'm Totäbett. Und jetz mües-i uf-ä Chlarydäfirä, und am säxi mües-i dertä sy.«

Fr. Zgraggen-Scheiber, 76 J. alt, Schattdorf

2. Senn, Hirt und Dinner der Alp Gufern im Maderanertal sassen vor der Alphütte, als sie eine Dame unter den Flühen über Stock und Stein talein marschieren sahen. »Diä isch-schi v'rgangä,« meinte der Senn und schickte den Dinner, sie zurechtzuweisen. »Nein, nein,« sagte zu ihm die Dame, »ich bin auf dem richtigen Weg. Ich komme aus Holland und muss auf den Hüfifirn, um dort Hitz' und Kälte durchzumachen. Wärest du aus Vorwitz gekommen, so hätte ich dich zu Staub und Asche zermahlen dürfen.« Und eilte davon.

Fr. Senn-Loretz, 25 J. alt, Wyler

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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