Im Kempttal *) wohnte ein armer Bauer namens Steffen. Der machte mit dem Teufel einen Vertrag, laut dessen er Geld und Schätze in Hülle und Fülle erhalten sollte. Nun waren aber seine Frau und auch seine Tochter Felizitas gute und fromme Personen, und drum musste Steffen eine List gebrauchen, um seinen Reichtum heimzuführen. Er gab vor, er habe Nachricht erhalten, dass sein verschollener Bruder in Holland gestorben sei als ein ungewöhnlich reicher Mann, und er, Steffen, müsse nun stracks nach Holland reisen, um sein Erbe in Empfang zu nehmen.
Er begab sich aber nur in die Heidenschlucht, einem verrufenen Ort im Kempttal‚ wo ihn der Böse mit Geld, Kostbarkeiten und Kleidern überhäufte. Von einer Gegenleistung wurde nicht gesprochen. Nach einiger Zeit kam der arme Bauer als ein vornehmer Herr durchs Kempttal heraufgeritten, und zwar mit grossem Gefolge. Er baute sich in der Nachbarschaft eine Burg, bei deren Bau es unwahrscheinlich rasch vorwärtsging.
Kaum hatte er seine neue Behausung unter Dach, als auch schon ein Graf von Drachenstein sich als Gast anmeldete. Dieser sprang mit Geld und Gut um wie ein grosser Fürst und wollte damit die Seele der schönen Felizitas gewinnen. Deren Seele hatte aber keinen Hunger nach Reichtümern dieser Art, und überhaupt kam ihr der Graf als nicht geheuer vor. Den Vater hingegen blendete der Glanz des Drachensteiners, dass er nicht merkte, wer der andere war. Nur soviel ging ihm ein, dass Geld und Vergnügen dauerten, solange der Graf seiner Tochter nachstellte. Deswegen hätte er sie ihm gern als Frau gelassen.
Aber als Felizitas sich weigerte, den Fremden zum Mann zu nehmen, wurde der Vater schrecklich böse. Das gute Kind flüchtete von zu Hause fort in eine Felsenhöhle. Aber der „Gottseibeiuns“ hatte es gemerkt, und mit dem Vater verfolgte er die Tochter. In ihrer Not bat diese den Himmel um Rettung, und siehe da, ihr Körper zerfloss an jener Stelle, an der plötzlich eine Quelle aufsprudelte. Die Verfolger, die geglaubt hatten, Felizitas hier zu erwischen, sahen sich vergeblich in der Höhle um. Da ihm die eine Seele entwischt war, wollte der Teufel, der sich jetzt dem Steffen in wahrer Gestalt offenbarte, die andere mitnehmen. Steffen floh, aber an der gegenüberliegenden Felswand stellte ihn der Böse und verwandelte ihn in einen Felsenturm, den man den Teufelsturm nannte. Aus Kummer starb Felizitas Mutter, das Schloss ging in Rauch auf, und die Diener verliefen sich.
Die Quelle aber, von den Nachbarn der Felizitasbrunnen genannt, sprudelte weiter und wurde ein Ziel der Pilger. Er besass wunderbare Eigenschaften: er heilte Blinde und Lahme.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Winterthur und Weinland
Von unbekanntem Verfasser im „Republikaner-Kalender" 1843, S. 51; stilistisch vereinfacht und gekürzt.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch