Die Seejungfer von Zug

Land: Schweiz
Region: Zug, Stadt
Kategorie: Sage

Am 4. März des Jahres 1435 versank die Untergasse der Altstadt Zug in den Fluten des Sees. Über dieses Unglück geht die Sage von der Zuger Seejungfer.

Im blauen Zugersee hausten einst geheimnisvolle Seeleute. Der alte Wasserkönig führte auf dem Seegrund sein gestrenges Regiment. Dieser Seebeherrscher hatte eine liebliche Tochter. Unter den Bewohnern des Sees gefiel der Königstochter kein einziger Mann, dafür unterhielt sie ein inniges Liebesverhältnis mit dem stattlichen Sohne des Stadtschreibers von Zug. Der Nixenvater war über diese Liebe nicht sonderlich erbaut und verbot der Wasserjungfer, wieder mit dem Schreiberbuben zu plaudern. Da wurde die Nixe sehr traurig und brachte kein Sterbeswörtlein mehr über ihre Lippen, und wie es so geht, dem Wasservater behagte das griesgrämige, kummervolle Gesicht seiner Tochter nicht auf die Länge und er machte ihr einen Vorschlag: "Wenn der Zugerbub dir in mein Reich folgen will, dann soll er kommen und du kannst mit ihm Hochzeit feiern".

Wie im Blitz schwamm das Nixlein ans Ufer und lockte und girrte wie ein Täublein, bis der Stadtschreiberbub zu ihr kam. Dieser hatte auch schon tagelang voll heisser Sehnsucht auf seine liebe Seejungfer gewartet. Der Heiratsplan des Wassermannes gefiel dem jungen Burschen auf den ersten Blick und die Nixe bot ihm einen Zaubertrank an. Dieser Trank bewirkte, dass Erdenmenschen auch unter dem Wasser leben können. Ohne zauderndes Herzklopfen folgte der Zugerknab seiner Jungfer hinab ins kühle Wasserreich.

Die Herrlichkeit im Zugersee dauerte aber nur kurze Zeit. Dem Erdensohn wurde die Gesellschaft im Wasserreich zu langweilig, und das Heimweh packte ihn nach seinen Eltern und Bekannten und dem lieblichen Städtchen am See. Vor Sehnsucht magerte er ab und sah trübselig aus. Als die Nixe den wahren Grund des sichtlichen Kummers erfahren hatte, vertauschte sie in einer stockdunklen Märzennacht alles Trinkwasser in den Küchen der untern Gasse mit ihrem Zaubertrank. Am folgenden Tag versank dann urplötzlich die ganze Strassenzeile im nassen Element. Kein Mensch musste aber durch Ertrinken sein Leben lassen, das Zauberwasser hatte die menschliche Natur befähigt, auch unter dem Wasser weiterzuleben.

So kam der heimwehkranke Sohn des Stadtschreibers wiederum zu seinen Eltern und lieben Nachbarn aus der niedern Gasse. Jetzt war die Freude überaus gross. Bei recht klarem Wasser können Sonntagskinder heute noch die versunkene Stadt recht gut sehen und man höre auch die festliche Musik aus dem Wasserreich des Nixenkönigs.

Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 40

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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