1. Drei arme Jäger aus der Gegend von Amsteg gerieten am Bristenstock in eine Höhle, die sich tief in den Berg hineinzog. Ganz zu innerst fanden sie einen mächtigen Zapfen gleissenden, echten Goldes, der von der granitenen Decke herabhing, so gross, dass er das ganze Steger-Dorf hätte reich machen können. Einen schönen Klumpen schlug jeder der glücklichen Entdecker ab und steckte ihn in sein Ränzchen; den Rest wollten sie ein andermal holen und unterdessen über ihren Fund Stillschweigen beobachten. Statt, wie billig, Gott zu danken, schwenkten sie in ein Wirtshaus zu Amsteg ein, schlossen die Fensterladen am lauter-hellen Tag und prahlten in eitlem Stolze: »Miär brüchet d's Herrgotts Sunnä nytt, miär vermeegets z'liächtä!« Dann verprassten sie in männlicher und weiblicher Gesellschaft mit Tanzen und Spielen, Essen und Trinken in wenigen Tagen ihren ganzen Gewinn. Wie sie mit ihm fertig geworden, wollten sie noch mehr von dem edlen Metalle holen; sie fanden wohl die Höhle, aber darinnen nicht, was sie suchten, so sehr sie auch tasten und spähen mochten. Und jetzt waren sie noch ärmer als vorher.
Fr. Wipfli-Herger, 80 J. alt, Schattdorf
2. Einige Männer in der Gegend von Silenen sahen einst eine herrliche Jungfrau durch die Lüfte gegen den Bristenstock dahinschweben und sich auf einem Punkte niederlassen. Ein wunderbarer Goldschimmer umleuchtete sie. Als sie verschwand, machten sich die Männer auf den Weg nach jener Stelle, fanden sie und erblickten dort herrliche, goldhaltige Steine. Sie dachten: »Die entgehen uns nicht, morgen werden wir sie holen,« und veranstalteten obbeschriebene Wirtschaftsszene, und zwar auf Pump. Am folgenden Tage fanden sie den Platz nicht mehr.
Fr. Zieri-Frei, 50 J. alt, Silenen
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.