1. Im Schwarzbälmli am Rynächt sei unermesslich viel Geld versteckt, das aber von einem Gespenst bewacht werde. Einst machten sich zwei mutige, goldlüsterne Burschen von Schattdorf, mit grossen Säcken beladen, auf den Weg, in dieser geheimnisvollen Höhle sich Geld zu holen. Der eine ging barfuss, um dem Gespenst schneller entrinnen zu können. Der andere zog Kartatschen an, aber band sie nicht; er sagte, wenn das Gespenst komme, seien die Kartatschen bald weggeworfen. Wie sie in der Höhle eine Strecke weit vorgerückt, fanden sie eine Menge dürres Buchenlaub, der Boden war hoch damit bedeckt, und es ging dem Burschen bis über die Kartatschen hinauf, die sich, weil nicht gebunden, damit füllten. Einer zündete ein Streichhölzchen an und warf es, sobald es verloschen war, weg und zündete ein zweites an; der andere hingegen meinte, sie wollten lieber die Laterne anzünden, sonst könnte die Streue Feuer fassen und anfangen zu motten und zu rauchen, und dann wären sie schön in der Falle. Sie zündeten also die Laterne an, fanden aber trotzdem gar nichts als Buchenlaub. Da kehrten sie endlich wieder um. Vor der Höhle wollte jener das Laub aus seinen Kartatschen schütten, und nun rollten und kugelten die prächtigsten Goldstücke heraus! Die Buchenblätter hatten sich in Gold verwandelt. Jetzt kehrten die Burschen nochmals in das Berginnere zurück, um ihre leeren Säcke mit dieser köstlichen Streue zu füllen; aber jetzt kam ihnen das Gespenst entgegen, und zwar nicht schön! Sie liessen ihre Säcke fallen und flohen über Hals und Kopf davon.
Emerentia Zurfluh, Silenen, u.a.
2. Von einem alten Häuschen im Buchholz zu Silenen hat es immer geheissen, es sei ein Schatz darin verborgen. – Vor einigen Jahrzehnten liess seine Besitzerin, ds Lenärosi, Verschiedenes in diesem Häuschen ausbessern; da kam eines Tages der Schreiner, der mit diesen Arbeiten beauftragt war, in vollem Jubel aus einer Kammer heruntergesprungen und rief: »Der Schatz, der Schatz!« Schnell läuft Rosi hin und findet in einem finstern, versteckten Winkel einen Hafen. Es lüpft den Deckel ab und greift hinein. »Ja, ä scheenä Schatz!« ruft es enttäuscht aus. Es hatte in dürre Buchenblätter gegriffen, die es nun ausschüttete. Da sind sie aber alle auf einmal verschwunden, ds Rosi konnte nicht sagen, wie und wohin. – »Hätte es die Schürze hingehalten und die Blätter dahinein schütten lassen und aufbewahrt, so wären es vielleicht doch Goldstücklein gewesen,« meint meine Erzählerin halb gläubig, halb ungläubig.
Emerentia Zurfluh, Silenen
3. Man habe beim Schleissen alter Häuser schon öfters in der Nähe der Türschwelle oder unter ihr Laub gefunden. Das wäre aber in Wirklichkeit ein von ehemaligen Besitzern verborgener Schatz, Geld, auf dem der »Horämelki«, d.h. der Böse, sitze, der die Leute verblende, dass sie nur Laub sähen. Zu Silenen habe einmal einer solches Laub mitgenommen, und am anderen Tage sei es lauteres Gold gewesen.
Andreas Fedier, 46 J. alt, Maderanertal
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.