1. Der Schnyderberg-Joos von Linthal ging in der Kammeralp den Ziegen nach und heischte dort etwas zu trinken. Weil man gerade molk, wartete man mit der Erfüllung der Bitte. Als man ihm dann zu trinken geben wollte, war er fort. Beim Erwellen wollte die Milch nicht dicken bis am Abend zur Melkenszeit, und so wieder bis am Morgen. Da ging der Urner Knecht nach Näfels zu den Kapuzinern, und diese sagten ihm, er solle den frisch hingelegten Plattenstein zuhinterst in der Herdstatt wegnehmen. Darunter lägen drei kreuzweise übereinander gelegte Hölzchen, die solle er wegräumen und ins Feuer werfen. Der Senn tat so, und nachher war alles wieder in Ordnung.
Schriftl. v. Kapl. Truttmann
2. Längere Zeit hindurch war dem Senn in einer Glarner Alp beim Erwellen die Milch angebrannt, und er konnte die Ursache gar nicht herausfinden. Nun besuchte ihn einmal ein älterer, erfahrener Glarner Älpler; der schaute nur so ins Feuerloch hinein, und über seinen Mund huschte ein feines Lächeln (»Är heig äso g'schmeelelet«). Aber gesagt hat er nichts. Das nächste Mal klagte ihm der Senn seinen Kummer; der Besucher aber zuckte die Achseln und wollte nicht her aus mit der Sprache. Erst beim dritten Besuch erklärte er dem Senn: »Suchet im Feuerloch, es wird wohl etwas drinnen sein!« Aber der Senn fand nichts auffälliges. »Es wird wohl ein eichener Nagel in der Glut sein,« sagte jetzt der ältere Älpler bestimmter und untersuchte selber Glut und Asche. Richtig, jetzt kam ein eichener Nagel zum Vorschein. Der wurde weggeworfen, und seitdem brannte die Milch nicht mehr an.
Daniel Imholz, 50 J. alt
»Aber wie konnte denn die Milch wegen dem Nagel anbrennen?« fragte ich meinen Erzähler aus dem Schächental, und dieser zwinkerte mit den Augen und sagte in geheimnisvollem Tone: »Jä, äs wird dänk scho nu eppis darmit und daby g'sy sy!«
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.