Noch in den fünfziger Jahren des letztverflossenen Jahrhunderts lebte zu Andermatt eine alte Hexe. Ihr Wohnsitz war eigenartig genug. »Auf dem Wäsemli« hinter dem Grand Hotel hatte sich nämlich aus Regenwasser, aus der zusammenfliessenden Jauche der umliegenden Ställe usw. ein Weiher gebildet, aus dessen Mitte ein Inselchen hervorragte, auf dem die Hexe aus Stauden ein Baracklein sich gebaut hatte. Mit einem einzigen Sprunge erreichte sie jeweilen ihren Wohnsitz, während andere Leute ein Brücklein herrichten mussten, wenn sie das gleiche Ziel erreichen wollten. Eines Tages kam sie mit Polenta daher und tat sie in die Pfanne und sagte zu einigen Leuten, die grad bei ihr waren: »Jetzt hole ich in Mailand den Böllen, und wenn ich nicht zur rechten Zeit zurückkomme, so komme ich überhaupt nicht mehr, und ihr sollt mir nicht nachfragen und mich nicht suchen; kehre ich zurück, so könnt ihr mich verbrennen.« Die Leute lachten, und die Hexe ging zur Hütte hinaus. Als die Polenta in der Pfanne anfing zu »pfützä«, kam sie wieder und brennte drüber. Die Leute gingen weg. Bald darauf trug die Hexe dürres Holz und Stauden zusammen, füllte damit ihre Hütte und umhüllte sie, zündete alles an und verbrannte sich selber.
Balthasar Gamma, Andermatt
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.