Der Heiggel in Sellenbüren
Vor vielen Jahren lebte in Sellenbüren ein Bauer namens Heiggel, der Vogt über das Dörfchen war. Zuerst übte er sein Amt zur Zufriedenheit aus, aber in späteren Tagen herrschte in seinem Hause weder Sparsamkeit noch Zucht und Ordnung. Es wurde gut gegessen, viel getrunken, aber immer weniger gearbeitet. Den Wünschen und Begehren seiner Kinder war Heiggel allzu nachgiebig. Drum ging es mit seiner Wirtschaft den Krebsgang. Damit er nicht verlumpte, betrog er Witwen und Waisen um ihr Gut. Auf diese Art konnte er sich halten bis zu seinem Tode. Aber da holte ihn der Böölimann. Seither sieht man oft bei Nacht einen ungeheuren schwarzen Hund, „wohl 25 Schuh lang“, der durch das Dach herunter auf die Laube des Hauses steigt und dessen feurige Augen „dreimal grösser als ein Pflugrad“, unheimlich leuchten. Bald beginnt ein Poltern und Lärmen, als ob Kanonen losgebrannt würden. Der Spuk macht sich nicht nur im Hause, sondern auch im Stall bemerkbar. Es ist der Geist Heiggels, der umgeht und keine Ruhe findet.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Knonauer Amt
Nach Baur, Nr. 3, hier mit dem Titel „De Heiggel in eurem Hus“; Stauber, S. 52
Zu „Böölimann“ vgl. Id. 4, 272; mhd. bolen = rollen, wälzen, schleudern. Entsprechende Namen für den polternden Hausgeist sind holl. bull(er)mann, nhd. „Rumpelstilz“. - Die Gestalt dieses neben Chlungerin, Haaggenmann und Booz allgemeinsten schweizerischen Landesgespenstes ist in der Volksphantasie nicht scharf umrissen. Hier erscheint der Ausdruck als Bezeichnung des Teufels, was ungewöhnlich ist.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.