Die Pfarrfrau als Hexe
Ein Pfarrer im Zürcherland (wo, wird nicht gesagt) hatte eine Frau, die war ihm in allen Dingen zu gescheit und liess ihn zu keiner Zeit und bei keinem Wort recht haben.
Eben hatten sie die Schnitter, und es war heisses und trockenes Wetter. Da ging das Ehepaar nachmittags zusammen zu den Knechten aufs Feld, und zufrieden sprach der Pfarrer zu seiner Frau: „Vor acht Tagen kann’s diesmal sicherlich keinTröpfchen regnen.“ - „Ein Tröpfchen aber wohl noch heute“, versetzte spitzfindig darauf die Pfarrerin. Sie zog dabei ein Fläschchen aus dem Sack, darin klares Wasser und ein winziges Kieselsteinchen waren.
„Darin ist mehr als für einen Tag Regenwasser“, sagte sie; „versuch es nur, das Gläslein auszuschütten, aber gib Obacht und schütte nicht zugleich das Steinchen mit heraus.“ Der Pfarrer nahm ihr das alberne Gläschen aus der Hand und zerschmiss es ärgerlich in Trümmer. Das Wasser und das Steinchen waren nun miteinander fort, aber auf der Stelle fing es an zu regnen und dann herabzuhageln, dass das Korn mit den Halmen zerstob und die ausgebreiteten Ähren fortgeschwemmt wurden.
Jetzt sah der Pfarrer mit Schrecken, dass er eine Hexe zum Weibe habe, und machte von Stund an seine Vorkehrungen, sie los zu werden. Alle Klafter seines Besoldungsholzes trug er zu einem grossen Scheiterhaufen zusammen und liess sich durch nichts in der Arbeit abhalten, bis er damit fertig war. Immer verstellte sie ihm aber den Weg und wiederholt plagte sie ihm mit der Frage, was er mit sovielem Holz auf einem Haufen machen wolle. Statt Antwort zu geben, ergriff er sie zuletzt, band sie auf den Haufen hinauf und verbrannte sie.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Stadt Zürich und Zürichsee
Wörtlich aus Rochholz, Sagen 2, Nr. 402a.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.