An einem Spätherbst-Tage lag ein Jäger in dem Gebiete der Alpe Valpun, die der Gemeinde Luzein gehört, dem Waidwerke ob. Es war nach der Alp-Entladung, und Todesstille herrschte auf diesen Höhen, auf welchen es an diesem Tage umso unwirtlicher aussehen mochte, als ein dichter Nebel vom Tale heraufstieg, und die Berge einhüllte.
Bei der früh eingetretenen Dämmerung suchte der Jäger die Sennhütte auf dem Sässe Valpun auf, machte Feuer an, bereitete seine einfache Abendmahlzeit, und legte dann auf die »Pritsche« (Lager der Älpler in den Sennhütten) sich zur Ruhe.
Ungefähr um Mitternacht wurde er durch ein seltsames Geräusch gestört. Sich aufrichtend, gewahrte er in der Hütte einen riesengrossen Mann, am Feuerherde stehend, welcher das Feuer, das bereits erloschen, wieder anfachte, und den Kessel über das Feuer her zog. »Ab und zu« (zuweilen, hinwieder) ging er in den Keller, trug Milch heraus, schüttete sie in den Kessel, und hantierte so, als wie der eifrigste Käser. - Während der ganzen Arbeit liess er Klagelaute vernehmen, und sang unter der Stimme eine ganz wehmütige Melodie, woraus der Jäger urteilen konnte, Der sei einmal hier Senne gewesen, dass er aber wegen begangenem Betruge durch zeitweise Wiederkehr büssen müsse.
Nicht ohne Grausen schaute der Jäger dem Tun und Treiben des Unheimlichen lange Zeit zu, nahm dann aber, in der Meinung, nach dem Käsen werde Derselbe wohl hinter ihn selber geraten wollen, sein Gewehr zur Hand, und legte auf den geisterhaften Mann an. Dieser wendete gegen den Jäger sich um, hob drohend den Zeigefinger, und liess Denselben sein fürchterliches Angesicht sehen, welches aussah, wie Eichenrinde, - und verschwand einige Augenblicke darauf.
Am Morgen fand der Jäger Alles in gehöriger Ordnung, wie wenn nichts gewesen wäre. - Er machte sich heimwärts, musste sich legen, und behielt für längere Zeit ein arg geschwollenes Gesicht.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.