Der nun verstorbene J. Brüesch in Jenins musste in seiner Jugend seinem Vater bei Ausübung des Nachtwächter-Amtes und Messmer-Dienstes ab und zu behülflich sein.
Nun war es einmal in der heil. Pfingstwoche, da der Mond gar hell und schön schien, dass sie Beide, Vater und Sohn, nach vollbrachter Nachtwache sich anschickten, den Tag »einzuläuten«. Vor der Kirchentüre deutete der Vater ihm, ohne ein Wort zu sprechen, keinen Laut von sich zu geben, was er auch zu sehen bekomme.
Sie betraten nun die Kirche, und sahen Dieselbe mit einer schwarzen, gespenstig aussehenden Schaar angefüllt, unter welcher sie mehrere bekann¬te Gesichter erkannten, nicht nur von Personen, die sie noch gekannt hatten, nun aber gestorben waren, sondern auch von Solchen die noch lebten. Auf der Kanzel stand Einer, der betete das Lied vor: » Jesu, der Du meine Seele aus des Satans Macht erlöst.« Die Menge betete nach in ver¬worrenen Sätzen, und es ward das Gemurmel so stark, dass den Beiden »wind und weh« wurde, und sie eine Zeitlang stille standen. Der Sohn wollte sich »wegmachen« (aus der Kirche fliehen); der Vater hielt ihn aber fest. So dicht sass die unheimliche Versammlung in den Bänken, und stand im Gange, dass die Beiden kaum sich durchwinden konnten, und es ihnen ob dem Moder-Geruche fast »schlecht« wurde.
Nachdem sie die Morgenglocke geläutet hatten, und aus dem Turme wieder in die Kirche zurückgekehrt, war Alles verschwunden.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.