Wo am Ofen-Passe die herrlichen Bergwiesen der schönen Alpe Stavelchod sich ausbreiteten, bemerkt der Wanderer, der von Cernetz aus nach dem Münsterhalde reist, auf der Anhöhe ein altes, zerfallenes Gemäuer, an welches folgende Sage erinnert:
Da stand vor Altem ein Wirtshaus, weit und breit die einzige Herberge für Reisende über den Pass. – Mancher müde Wanderer, der sich nach Ruhe und Erquickung sehnte, schloss hier die Augen für immer; viele Reisende verschwanden da und Niemand wusste, wo sie hingekommen. Kein Mensch dachte daran, dass gerade der Wirt der Mörder so Vieler sein könnte, und darum durfte dieser um so ungestörter seinem grausamen Handwerk obliegen.
Sowohl das Wirtshaus selbst, als auch der nahe Wald waren Stätten grässlicher Mordtaten.
Einst kamen fünf arme Holzhauer in dieses Wirtshaus und machten sich nachdem sie ihre Zeche bezahlt hatten, wieder auf den Weg. Der Wirt begleitete sie bis in den nahen Wald; dort gab er ein Zeichen, auf welches hin aus dem Gebüsche etwa zwölf seiner Mordgesellen traten, mit wilden grässlichen Gesichtern. Sie fielen mit ihren blutgewohnten Beilen über die Holzhauer her und machten sie nieder, erbeuteten aber nur sehr geringe Barschaft.
Auch dieser Mord blieb lange geheim.
Es ging aber nicht lange, so brannte das Wirtshaus ab. Der Wirt wurde wahnsinnig, er gestand alle seine Verbrechen, und bis zu seinem Tode schwebten ihm immer die blutigen Opfer aller durch ihn Ermordeten vor Augen. Selbst nach dem Tode fand er keine Ruhe; als feuriger Hund, umgeben mit Flammen und Schwefeldampf, weilt er noch in den Trümmern seines Hauses. Nachts um die zwölfte Stunde eilt er, schrecklich heulend, umher.
Noch zeigt man den Platz, wo das Wirtshaus gestanden, und von geheimem Grauen erfasst, sputet sich der Vorübergehende des Nachts, den verrufenen Ort zu verlassen.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.