In der »Bizirüti« bei Langwies stand früher ein Haus, in welchem ein Mann und eine Frau wohnte. War der Mann durch seine Tugend und Leutseligkeit bei allen Nachbarn beliebt, hielt man die Frau dagegen für Eine, die mehr konnte, als Strümpfe »lismen«, man hielt sie für eine Hexe. Das tat dem Manne leid, dass man seine Ehewirtin für das hielt, wollte es aber nicht glauben, ohne davon überzeugt zu sein.
Nun geschah es, dass die Frau ein Kleines bekam und die Magd derweilen das Hauswesen besorgte. Zu der kam, als sie in der Küche der Frau das Abendessen bereitete, eine grosse, schwarze Katze, die sie grässlich anglotzte, dann auf den Herd sprang und in die Pfanne guckte. Die Magd wollte die Katze vertreiben, aber die ging nicht, bis sie ihr Eins mit einem brennenden Scheite versetzte, und so das Ungetüm aus der Küche brachte, das nun schrecklich schreiend davon lief. Als die Magd mit dem Essen in die Stube trat, sah sie das Gesicht der Frau ganz »beruost« und verbrannt, und fragte sie, warum sie so schwarz und bös aussehe? »Das geht dich nichts an«, erwiderte die Frau. - Die Magd, welche bei der Frau nichts als schlechte Tage gehabt hatte, wusste nun, woran sie mit ihr war, und erklärte dem Hausherrn das neue Wunder; dem gingen nun endlich auch die Augen auf, und er beschloss, seine werte Ehehälfte selbst auf die Probe zu stellen:
Eines Tages sagte der Mann zur Frau: »Bringe mir schnell die Sonntagskleider, denn ich will in die Welt hinaus, um das Hexenwerk zu erlernen, und komme erst wieder heim, wenn ich es kann.« Die Frau nahm das für Spass und gab ihm keine Antwort. Der Mann entfernte sich von Hause, um sie wegen der Hexerei beim Amte zu Langwies zu verklagen. Nun rief die Frau ihn zurück und sagte ihm, dass sie ihn das Hexenwerk lehren wolle, er brauche nicht weg. Damit war der Mann einverstanden. Die Frau führte ihn in den Hof und sagte ihm, er solle ihr auf den Rossmist folgen und das nachsagen, was sie ihm vorsage. Sie sprach hierauf die Worte: »I stan da ufam Rossmist und verleugna min Her Jesu Christ.« - Der Mann sagte anders: »I stan da ufam Rossmist und weiss, dass du a Häx bist.« Mit diesen Worten schlug er sie zu Boden, liess sie liegen, verklagte sie als Hexe, und es ging nicht lange, so wurde sie verbrannt.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.