In der Matte wohnte ein Goldschmied; ältere Leute kannten ihn noch. Eines Abends blieb er ungewöhnlich lange fort. Da ging seine Frau aus, ihn zu suchen. In seiner Werkstatt erblickte sie ein Licht, das kam ihr sonderbar vor. Lautlos schlich sie die Treppe hinauf und schaute verstohlen zu einem Türspalt hinein. Da sah sie einen Mann in weisser Halsbinde an einem Zeichentisch stehen und zeichnen. Mit sicherer Hand zog er Linien auf einen weissen Bogen, die sich zu Rosetten verschnörkelten, sich flohen, in wunderbaren Arabesken wieder zusammenfanden. Die Frau wollte eintreten, um den unbekannten, sonderbaren Mann, den sie vordem noch nie gesehen, näher zu beschauen. Die Türe aber hatte ein wenig geknarrt. Da zischte es leise auf. Ein kleines Wölkchen füllte den Raum - verschwunden war die Gestalt. Die Mattenbewohner kennen diesen Mann ganz gut. In stillen Nächten pflegt er durch das Fenster eines Zimmers, in dem ein Mann schläft, zu gleiten. Lautlos lässt er sich auf den Stuhl niederfallen und starrt, den Kopf in die Hand gestützt, vor sich hin. Kein Mensch hat je sein Gesicht gesehen. Das aber wissen alle, dass er einer der vielen Besucher des Inseli war, als dieses noch einen Lustgarten besass, und dass er dort beim Spiel die Früchte seiner jahrelangen Arbeit am Goldschmiedtisch verlor.
Aus: Hedwig Correvon, Gespenstergeschichten aus Bern, Langnau 1919
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch