Auf dem Ammertenberge sömmerte ein Senne mit seinen zwei Knaben. Sie lebten im Überflusse und trieben zur Kurzweil allerlei Spott. Da verfielen sie auf den Gedanken, statt aus der Britsche den kräftigen Käse, ein Männlein zu machen. Dies stellten sie in der Küche auf eine Bank, riefen es beim Namen, strichen ihm jedesmal, wenn sie vorbeigingen, einen tüchtigen Leck Nidle auf die Nase und trieben Spott mit ihm. Allein wie erschraken sie, als das Männchen nach einiger Zeit lebend wurde und in der Hütte herumspukte! Sie konnten es schlagen, wie sie wollten; es nützte nichts.
Da ging der Senne nach dem Wallis zu einem Kapuziner, um bei ihm Rat zu holen, wie das Männlein zu vertreiben sei. Der Kapuziner riet, bei der Alpabfahrt ja nichts zu vergessen, und dann werde es von selbst verschwinden.
Nach drei Tagen fuhren sie ins Tal. Sie waren etwa eine halbe Stunde gegangen, da fiel dem Sennen ein, dass er das Milchmelchterlein vergessen habe. Er dachte nicht mehr an den Kapuziner, hiess seinen Knaben weitergehen und kehrte zur Alp zurück. Sie erwarteten ihn daheim den ganzen Tag; allein er kam nicht mehr zurück.
Am nächsten Morgen eilten sie nach der Alp, und da sahen sie zu ihrem Entsetzen den Vater geschunden vor der Türe, an den Beinen aufgehängt. Wild stürmten sie ins Tal, bewaffnete Leute liefen hinauf. Da hörten sie das Britschenmännlein in der Hütte die Sprüche und Gebete herlallen, die ihm der Senne den Sommer hindurch gelehrt hatte.
Wer von nun an in die Hütte trat, kam nie wieder heraus.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch