Die bildhübsche junge Tochter eines reichen Giswilerbauern verliebte sich in einen armen Teufel und wurde von ihrem Vater dieser ihm nicht genehmen Liebe willen verflucht. Nun sitzt die ungehorsame Tochter in einer Höhle am Giswilerstock, die durch ein schweres eisernes Tor verrammelt und durch ein grausiges Hundetier, dessen fleischtellergrosse Augen unheimlich sprühen, bewacht wird. Die Jungfrau sitzt nun allein und verlassen in diesem Felsenverliess auf einer eisernen, mit Gold angefüllten Truhe und harrt sehnsüchtig ihrer Erlösung. Diese kann bewerkstelligt werden, wenn ein Jüngling liebeglühend am Dreifaltigkeitssonntag einen Haselstock segnen lässt, in der Thomasnacht, den Haselstock in der rechten Hand tragend, sich aufmacht und weg- und lichtlos dem Giswilerstock zusteuert. Der Haselstock führt ihn aus einem noch nie gesehenen, unbekannten Wege vor das Tor der Höhle. Nun klopft er dreimal an das Tor und es öffnet sich. Die Jungfrau sitzt auf der Truhe und neben ihr kauert der grausige, zähnefletschende Hund, der aber sofort, nachdem die Schöne den Jüngling erblickt, durch ihr himmlisch-liebliches Lächeln beruhigt wird. Der Jüngling hat sich seiner Schuhe und des Hutes zu entledigen, kein Wort zu sprechen, in den drei höchsten Namen den Haselstock drei Mal um die freistehende Truhe zu tragen und sich hernach augenblicklich zu entfernen, ohne aber etwas von seinen Effekten zu vergessen. Drei Tage nachher kann er sich die Schöne mit ihrer verlockenden Mitgift als Braut heimholen.
Einmal nun hat ein heiratslustiger, mutiger Junge versucht, die Jungfrau zu erlösen. Alles hat er nach Vorschrift ausgeführt, obwohl ihn das fürchterliche Hundetier zum dreimaligen Gang um die Truhe nicht sonderlich ermunterte. Als es nun zum Fortgehen kam, war er durch die bezaubernde Schönheit und bestrickende Anmut der Jungfrau so entzückt, dass er kein Auge von ihr abwenden konnte und den in eine Ecke gestellten Haselstock mitzunehmen vergass. Da fiel ächzend das Tor zu und aus dem Innern der Höhle drang das herzzerreissende Weinen des unglücklichen, verbannten Menschenkindes. Der Weg, auf dem er gekommen, war durch Geröll verschüttet. Nach vielfach überstandenen Lebensgefahren und Todesnöten kam er nach drei Tagen wieder zu Hause an.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch