Mitten in der Alp Arni ob Engelberg ist das Arniloch, eine Höhle. Schon vor Jahrhunderten sprach der Volksglaube von den reichen Goldschätzen und ungeheuern Reichtümern, die in dieser Höhle verborgen liegen.
Einst kam ein Venediger in die Alphütte zu Arni und verlangte von den Än einen Begleiter, um in's Arniloch zu steigen. Allein dieselben weigerten sich standhaft, bis ein junger Handbube hervortritt und keck erklärt, er wolle schon mit. Der Venediger nahm ihn mit, zündete vor dem Eingange in das Loch zwei Wachskerzen an und verbot dem Burschen bei Leib und Leben, was er auch sehen möge, ein lautes Wort zu reden. Darauf nahm er ein dickes, grosses Buch und fing an darin in einer fremden Sprache allerlei zu lesen. Plötzlich entstund ein furchtbares Knistern und Donnern in der Tiefe, so dass es den Buben zu fürchten anfing. Der Venediger las fort, da steigerte sich aber das unterirdische Getöse immer mehr, bis dem Buben ein jäher Schrei des Schreckens entschlüpfte. Augenblicklich folgte ein furchtbarer Donner, der Knabe wurde aus der Höhle geschleudert und fiel in schrecklichen Sätzen über Felsen und Bäume in die Tiefe. Die am Ausgange der Höhle harrenden Ä hatten ihn gesehen und den Donner gehört. Sie eilten ihm nach und trugen ihn für tot in die Hütte. Der Bube erholte sich aber und konnte das Verbot des Venedigers und seinen Schrei erzählen, mehr war er nicht im Stande, er blieb zeitlebens ein Noggel; von dem Venediger aber wurde nie mehr etwas gesehen.
Im Jahre 1667 hat Loretus das Arniloch untersuchen wollen. Mit vieler Anstrengung hatte er es eben erreicht. Doch wie er vor der Höhle steht, da hört er einen Tumult und Menschenstimmen, während doch meilenweit niemand da sein konnte. Zugleich fielen von den Felsen Eiszapfen und Schneemassen in einer Menge auf ihn herab, dass er sofort den Rückzug ergriff.
Vom Arniloch erzählte ein alter Mann in seiner letzten Krankheit: „Hinter Wolfenschiessen verlässt man die Engelbergerstrasse und gelangt seitwärts über Alpenboden an eine steile Felswand, in die hinein das Arniloch sich weitet. Im Sommer liegt ein Seelein darin, im Winter ist dasselbe abgeflossen. Mein Vater war daselbst und hat es gesehen. Er ist auch an der Wand hinaufgeklettert und hat so von unten herauf durch eine kleine Oeffnung in einen grossen, schönen Saal hineingeschaut, wo eine Menge Säulen prachtvoll glitzerten. Die Wände sind mit Gold, das hier wächst, bekleidet. Einst war ein Bergwerk da, aber jetzt kennt man den seitlichen Eingang nicht mehr. Wenn man in der Gegend bei den Leuten nach dem Weg auf die Arnialp sich erkundigt, so fragen sie gleich: „Wänd er au is Goldloch?"
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch