Es ist gewiss schon über hundert Jahre her, da sind noch die Leute zur Kappeli-Kirche wallfahren gegangen. Von weither sind die Wallfahrer gekommen, vom welschen Jura her durchs Vauffelintal bei Rogmung herunter zur Kappeli-Kirche.
An einem Abend kam ein Mann zur Kapelle. Bei der verlotterten Sigristenhütte blieb er stehen und rief: «Ist niemand zu Hause?» Da rief hinterm Haus vom Holzschopf her einer: «Doch, aber der Vater und die beiden älteren Brüder sind heute morgen ins Holz gegangen.» Da fragt er den Burschen, ob er ihn zum Kappeli begleite. Der Kappeli-Bub legte die Axt beiseite und ging mit dem Fremden zum Kappeli. Als er die Türe öffnete, blieb der Fremde stehen und sah wie gebannt auf das geschnitzte Bildnis des hl. Michael, der mit dem Teufel kämpft. Er lief zwischen den Bänken zum Altar, während der Bub in der hintersten Bank sass.
Da sagte der Fremde zum Buben: «Ohne den Engel mitsamt dem Teufel gehe ich nicht nach Hause. Was willst du dafür?» «Da muss ich zuerst den Vater fragen», meinte der Bub. Der Fremde aber sagte: «Das Bildnis bringst du mir heute Nacht in den Leuen.» Damit nahm er seinen Hut und ging davon. Am Abend nahm der Kappeli-Bub den Engel mit dem Teufel unter den Arm und machte sich auf den Weg. Es war dunkle Nacht, und er sah keine drei Schritte vor sich hin. Und plötzlich fing es an heftig zu regnen, und ein kalter Wind blies. Auf dem alten Fussweg wollte er das Dorf erreichen.
Doch plötzlich griff er sich an den Kopf. Der war schwer geworden wie ein Zentnerstein. Er dachte an die Geister im Bachtelental, und da stand auch schon einer vor ihm, wie aus dem Boden geschossen. Er wurde gepackt und geschüttelt und in ein Schwarzdorngestrüpp geschleudert. Verwirrt und auf wackeligen Füssen ging der Kappelibub wieder heimwärts. Aber das Bildnis mit dem Erzengel und dem Teufel ist doch in den Leuen gekommen. Wie? Das wusste kein Mensch. Bald darauf kam es aber in den Königshof nach Solothurn. Doch die Grenchner gaben keine Ruhe, bis der Engel mit dem Teufel wieder an den alten Ort zurückgekehrt war.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch