In der Mitte des vorigen Jahrhunderts ging eines Nachts ein Stadtbürger namens Cugniet über die kleine St.-Johann-Brücke. Da hörte er auf dem naheliegenden Ölberg ein ausserordentliches Geräusch, wie das Schreien, Wehen und Schlagen der Fittiche grosser Raubvögel, von einem singenden Gesumme begleitet. Hin und wieder wurde es von gellendem Gelächter oder liebeseufzendem Stöhnen unterbrochen. Er lehnte sich an das Brückengeländer und hörte diesem sonderbaren Auftritte zu, den er nicht erklären konnte. Nur auf Augenblicke unterbrach ihn das Geplätscher der Saane und ihr Wellenspiel. Auch schien es Cugniet, dass hin und wieder rotgelbe oder graugrüne Flämmchen aufschimmerten, die sich im Kreise schnell bewegten. Da, pautsch! empfing der Neugierige unversehens eine kräftige Ohrfeige, wie von einer eisernen Hand, dass er vor Schmerz und Schreck «Heiliger Joseph» ausrief. Da stand wie aus dem Boden gewachsen plötzlich neben ihm eine ihm wohlbekannte, vornehme Dame, die einen Besenstiel verkehrt zwischen den Beinen hielt. Auf diesem sonderbaren Reitpferd flog sie in die Nacht und verschwand. Zuvor aber schenkte sie dem Bürger einen silbernen Becher als Preis für seine Verschwiegenheit, die Cugniet auch bis vor seinem Tod getreu beobachtete.
Die Dame war eine geheime Hexe und befand sich auf dem nächtlichen Ritt zum Hexensabbat, der irgendwo auf der Bürglenhöhe oder auf dem Stadtberg abgehalten wurde.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.