Eine Kräutersammlerin von Plaffeien fand einst im Sangernboden (Kanton Bern) einen kranken Zwerg. Dank der Kenntnisse, die sie über Heilkräuter sich anerworben hatte, glückte es der Frau, den kranken Zwerg zu heilen. Zum Dank für seine Wiederherstellung gab ihr der Geheilte eine Handvoll dürren Buchenlaubs in die Schürze. Die Frau nahm das Geschenk an, um den Zwerg nicht zu beleidigen, und war des Glaubens, derselbe wollte sich einen Scherz mit ihr erlauben. Sie liess sich aber nichts dergleichen anmerken und tat, als ob sie sehr erfreut wäre. Heimlich dagegen dachte sie: «Buchenlaub liegt noch genug im Walde herum, solches brauche ich nicht eigens nach Hause zu tragen.» Auf dem Heimweg liess die Frau achtlos ein Blatt nach dem andern auf den Boden fallen, bis die Schürze leer war. Daheim schüttelte sie die Schürze kräftig aus, um sie von Staub zu säubern. Da flog etwas Goldenes klirrend zu Boden. Was war das? Ei, zwei blitzblanke Goldstücke waren ihr aus der ausgebreiteten Schürze auf das Pflaster gefallen. Vorher waren es zwei hängengebliebene Laubblätter. Zu spät erkannte die Kräuterfrau, welch eine Dummheit sie begangen hatte, als sie achtlos die Blätter auf die Strasse fallen liess. Wohl kehrte sie unverzüglich auf dem gleichen Weg zurück, den sie gegangen war, doch es war vergebens. Sie fand jetzt weder Goldvögel noch die weggeworfenen Buchenblätter. Die Reue war wieder einmal zu spät. Dafür war die Frau um eine Erfahrung reicher.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.