Die «Wueschta» ist eine Bergwiese in der Umgebung des Käsenberges. Vor Zeiten soll dort ein boshafter Kobold sein Unwesen getrieben haben. Eine höllische Freude bereitete es ihm, Menschen und Tieren allerhand Schabernack zuzuführen. Er besass die Kunst, sich in allerlei Tiergestalten zu verwandeln. Man konnte ihn bald als Rehbock, bald als schwarzen Hasen sehen, bald war er als ein flinkes Wiesel oder ein listiger Fuchs über die Hänge gesprungen. Bei Tage hielt sich der Kobold in einem verborgenen Winkel der Sennhütte auf, wobei er die Gelegenheit benützte, aus den Gebsen die süsse Nidel aufzuschlecken oder die Milch auszutrinken. Oft sprang das Ungeheuer während der Milchzeit zwischen den Kühen hindurch, so dass sie erschreckt aufbrüllten, unruhig hin und her schlugen und dadurch den milchgefüllten Eimer umwarfen mitsamt dem Melker. Nach solchen boshaften Streichen gaben die Kühe fast keine oder rote Milch. In anderen Nächten rumorte es im Rossstall. Wenn der Hirt nachschaute, fand er die Gäule in die Halfter verwickelt und mit ihren Schweifen aneinander verknüpft. Wenn das Vieh friedlich auf der Weide graste, erschien der Kobold plötzlich in einer furchterregenden Gestalt und jagte die Tiere auseinander. Es kam da häufig vor, dass bei der wilden Flucht das eine oder andere Tier sich ein Bein brach oder gar in den Abgrund stürzte.
Die Hirten konnten diesem unheilvollen Treiben nicht länger untätig zuschauen. Mit gewöhnlichen Mitteln wie Pulver und Blei war dem Kobold nicht beizukommen. Da mussten schon ausserordentliche Massnahmen ergriffen werden. Der Besitzer der Alp machte sich eines Morgens auf und ging zu den braunen Vätern nach Freiburg. Dort kannte er einen befreundeten Pater, der konnte vielleicht helfen. Der bärtige Mönch hörte seines Jugendfreundes ausführliche Erzählung geduldig an. Danach gab er ihm folgenden Rat: «Nimm Dreikönigs- oder Karsamstagswasser und besprenge damit Wohnung, Ställe und die Weiden. Das Mittel wird gewiss helfen.» Überdies gab er dem Hirten noch einige hochgeweihte Medaillen mit der Weisung, selbe über den Eingang der Haustür und des Stalles anzubringen. Ferner sollten sie am Samstagabend die Muttergotteslitanei beten.
Herzlich dankte der Alpbesitzer dem Ordensmann für die erhaltenen Ratschläge und gelobte, sie getreulich zu befolgen. Er versprach, dafür einen fetten Emmentaler Käs dem Kloster zu spenden, wenn die Alp vom heimtückischen Plaggeist befreit worden sei.
Am andern Tag kehrte der Hirt wieder auf die Alp. Gleich machte er sich an die Ausführung der erhaltenen Ratschläge. Während er damit beschäftigt war, die geweihten Abzeichen über Wohnungs- und Stalltür zu befestigen, sprang unversehens wie von Feinden gehetzt ein schwarzer Hase zum Stall hinaus. Schnell sprang der Meister in die Küche, holte das Dreikönigswasser und besprengte damit Stall und Weide. Da erblickte er den Kobold, wie er fluchend und scheltend den Abhang hinuntereilte und drunten gegen das Ärgeratal zu auf Nimmerwiedersehen verschwand. Fortan hatten die Bewohner der «Wueschta» Ruhe vor den Nachstellungen des Ungeheuers. Am Michelstag aber fuhr der Alpbesitzer mit seinem Fäderwägeli nach Freiburg zum Kloster an der Murtengasse und beschenkte die guten Väter mit einem radgrossen Chäslaib und einer Balle goldgelben Alpbutter, was den frommen Mönchen gewiss wohl getan hat.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.