Im Torry, zuhinterst im Plasselbschlund, arbeiteten Holzhacker. In der nahen Sennhütte wählten sie ihr Nachtlager. Öfters hörten die Männer des Abends vom nahen Wald her ein Brummen und Knurren. Es hatte Ähnlichkeit mit dem Meckern eines Geissbockes. Die Leute glaubten, es sei ein Ungeheuer, das im Walde sein Unwesen treibe. Man gab ihm den Namen «Torrybock». Wenn die Nacht hereinbrach, wagte sich keiner der Holzarbeiter zu tief ins nahe Gehölz, um nicht dem «Unküür» in die Wege zu kommen. Merkwürdig war der Umstand: Obwohl der Torrybock sein Meckern vernehmen liess, kam er doch nie bis zur Behausung der Männer. Es musste folglich kein so schlimmes Wesen sein. Zwei junge Holzarbeiter kamen daher überein, dem Torrybock nachzugehen und seinen Standort ausfindig zu machen. Behutsam schlichen sie an einem sternenhellen Abend ins Gehölz und warteten hinter einem Gebüsch, bis sie die eigentümlichen Laute wieder hören konnten. Ein Windstoss fuhr über die Tannen. Da horch! Ganz in der Nähe vernahmen die zwei Lauscher wieder das bekannte Knurren und Brummen. Wohl lief ihnen ein gelindes Gruseln über den Rücken. Einige Augenblicke warteten sie ganz still hinter ihrem Versteck. Da sie aber nichts Verdächtiges bemerkten, gingen sie vorsichtig nach der Richtung, wo das Knurren herkam. Und was für eine schauerliche Entdeckung machten sie? Sie fanden zwei junge Tannen übereinander quer verwachsen. Bei jedem Windstoss stiessen die oberen freistehenden Teile der Wipfel gegeneinander. Dieses Stossen und Reiben brachte die seltsamen Knurrtöne hervor, die von weitem wie das Meckern eines Bockes sich anhörten. Damit war das Rätsel des Torrybockes gelöst und zugleich ein «Unküür» weniger auf der Welt.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.