Vor hundert Jahren wirtete im «Ochsen» in Düdingen ein reicher Mann. Er besass neben der gutgehenden Wirtschaft noch einen Stall voll schwerer Kühe und ein ausgedehntes Landgut; davon stiess ein Wiesenstück an das bescheidene Gütlein eines ärmeren Kleinbauern namens W. Der habgierige Wirt behauptete, sein Nachbar hätte die Abgrenzung (Gemarkung) zu seinem Nachteil gesetzt; es kam zu einem Prozess, weil sich die Streithähne nicht einigen konnten. Das fragliche Wiesenstück des Bäuerleins war gerade gross genug, um eine einzige Kuh zu ernähren. Aber der Wirt wollte kein Einsehen haben, weshalb das Gericht entscheiden sollte. Die Ratsherren wollten es mit dem mächtigen Ochsenwirt nicht verderben; daher fällten sie den Rechtsspruch zu seinen Gunsten; der Kleinbauer verlor den Prozess. Voll Bitterkeit ergriff er den Zweig einer Haselrute, zog damit einen Kreis und forderte seinen Gegner auf, in den Kreis einzutreten: «Wer betrogen hat», rief Weber aus, «den soll der Böse mit Haut und Haar hier wegholen.» Der Wirt getraute sich nicht in den Ring einzutreten. Da stiess Weber voll Zorn die unheimliche Verwünschung aus: «Habe ich Unrecht gehabt, soll mir innert Jahresfrist meine einzige Kuh draufgehen; hast du aber das ungerechte Urteil gegen mich bewirkt, so soll dir dein Haus samt deiner besten Kuh verbrennen.» (Nach anderer Version: «Habe ich unrecht gehandelt, dann soll ich morgen meine Kuh im Stall erwürgt finden, hast du schlecht gehandelt, soll dir dein Haus mit allem, was drinnen ist, verbrennen.»)
Am nächsten Morgen war die Kuh des Armen gesund im Stall. Im Laufe des folgenden Jahres soll genau am Tage, den W. in seinem Fluche bezeichnet hatte, das Haus des Wirtes in Flammen aufgegangen sein, berichtet die Volksüberlieferung. Es war am Himmelfahrtstage; die Gläubigen kamen eben von der Kirche zurück; da brach ein Donnerwetter los. Der Blitz schlug in die Scheune des Ochsenwirtes. Hell lohte das Feuer aus dem Gebäude, und unterm Vieh, das in den Flammen blieb, kam auch die beste Kuh des Wirtes, die «brävste» um. Die Nachbarn sahen in diesem traurigen Ereignis die Erfüllung des Schwures, den das arme Bäuerlein im Vorjahr getan hatte.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.