Im hochgelegenen Dörfchen St. Silvester lebte vor einigen Jahrzehnten ein heiligmässiger Kaplan, Neuhaus mit Namen; das Volk heisst ihn kurzweg «Husli». Er stammte aus Oberschrot, war später Pfarrer in Jaun, nachher Kaplan von St. Silvester. Seine letzte Ruhestätte ist in Giffers, wo er starb. Wegen seines tugendhaften Lebens und seines leutseligen Wesens wurde er bald in der weiteren Umgebung bekannt. Der Kaplan war sehr mildtätig gegen die Armen, denen er alles verschenkte, während er sich mit einem fadenscheinigen Talar begnügte. Um die Gestalt dieses musterhaften Priesters hat sich ein blütenreicher Sagenkranz gebildet, ein beredtes Zeugnis seiner Volkstümlichkeit. Diese Sagen setzen ihm gleichsam ein geistiges Denkmal beim Volke, in dessen Gedächtnis der fromme Husli lebendig weiterlebt.
Ein andermal sollte Husli in Tafers eine vom bösen Geist geplagte Frau heilen. Der Gerufene kam, legte die geweihte Stola um und begann die Beschwörungsformel zu beten. Da fing der böse Geist an zu toben und zu schimpfen. Er warf dem Geistlichen Geiz und Heuchelei vor: «Du willst wohltätig und arm sein? Du Heuchler! Du hast ja in deiner Küche ein Häfelein Schmalz versteckt!» Der beschimpfte Pfarrer konnte sich dessen nicht entsinnen. Er ging heim und suchte in der Küche nach, bis er wirklich in einer Ecke an dem vom Teufel bezeichneten Orte in einem Gefäss etwas Schmalz fand. Die Haushälterin hatte ihn vor den Augen ihres Herrn verborgen; denn sie wusste zu genau, wie verschwenderisch der gute Pfarrer im Almosengeben war, dass er lieber Hunger litt, als den Armen eine Bitte abzuschlagen. Daher erklärte sich, dass in Huslis Haushalt oft das Notwendigste fehlte. Die verzweifelte «Kurjungfrau» wusste häufig nicht, was sie ihrem Herrn zu Mittag kochen sollte. Der Geistliche nahm nun trotz des Protestes seiner Wirtschafterin das Schmalzhäfelein und verschenkte es dem nächsten Armen. Erst jetzt wagte er es wieder, die besessene Person zu besuchen. Nun hatte der Teufel keinen Anlass mehr, dem gutherzigen Pfarrer Vorwürfe zu machen. Bei den wiederholten Beschwörungen blieb ihm nichts anderes übrig, als von der heimgesuchten Person auszufahren. Das tat er mit schrecklichem Wutgeheul. Bei seiner Flucht liess der geschlagene Feind einen üblen Schwefelgeruch zurück. Husli aber kehrte freudig in seine Pfarrei zurück und entzog sich den Dankesergüssen der Geheilten.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.