Der Poltergeist von Blumisberg

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Lange Jahre stand das alte Schlösschen von Blumisberg bei Wünnewil leer und verlassen. Niemand wollte es kaufen, noch weniger darin wohnen; denn ein geisterhaftes Wesen hauste im Schlösschen. Dieses machte den Besitzern des Landhauses das Wohnen unmöglich. Der Schabernack und Lärm, der in so mancher Nacht die Kühe störte, verleidete den Bewohnern den Aufenthalt in den unheimlichen Räumen. Man erzählt, unsichtbare Hände hätten den Dienstboten selbst das Leintuch unter dem Leib weggezogen. Wer konnte bei solch tollem Spass noch ungeniert im Bette schlafen!

a) In einer hellen Herbstnacht wollten einige leichtsinnige Burschen im Schlossgarten Pflaumen stehlen. Schon waren sie auf die Bäume geklettert, als sich das Verhängnis nahte. Plötzlich stand eine Gestalt drunten auf dem Rasen; die wuchs und wuchs riesengross bis zu den Baumkronen herauf und starrte die Pflaumendiebe böse an. Da war ihnen die Lust an den süssen Früchten vergangen. Blitzschnell glitten sie von den Bäumen herunter und suchten in hellem Galopp ihr Heil. Denen war der Appetit an fremdem Obst für immer vergangen. Der Obstgarten von Blumisberg hatte auf lange Zeit keine ungebetenen Gäste zu befürchten.

b) Einst musste ein Dachdecker das Schlossdach ausbessern. Die Arbeit nahm mehrere Tage in Anspruch, weshalb der Handwerker auf dem Estrich des Hauses nächtigte. Denn während der warmen Sommerszeit war es da droben kühl zum Ausruhen. Aber um Mitternacht vernahm er über die Stiege Kettengerassel und mächtiges Gepolter, wie wenn ein Dutzend Rossknechte die Stiege hinaufrasten. Der Dachdecker wagte nicht nach der Ursache des Lärmes zu schauen und zog sich die Bettdecke bis über die Ohren über den Kopf. Doch ausser dem Schrecken geschah ihm nicht Übles. Aber er zog es vor, künftig ein anderes Nachtquartier zu wählen. Im Nachbarhause fand er denn auch eine ruhige Schlafstätte.

c) Ein anderer Mann der Umgegend war von Neugier getrieben, das Gespenst einmal zu sehen. Deshalb begab er sich des Abends in die Nähe des Schlösschens. Die Dämmerung brach herein. Scharf beobachtete der Lauscher das Gebäude. Auf einmal wurde es taghell und aus dem Estrich des Schlösschens fuhr ein feuriger Wagen heraus, von glutsprühenden Rossen gezogen. Im Prunkwagen sass ein vornehmes Fräulein in reicher, altmodischer Kleidertracht. Das Geistergespann fuhr durch die Lüfte und nahm die Richtung nach dem nahen Walde, dem sogenannten Schafloch zu. Dort kreiste die Kutsche dreimal im Kreise um den Platz herum, so schnell wie ein Kreisel in Bubenhand; dann machte das Geisterfuhrwerk wie auf geheimen Befehl kehrt und schlug wiederum die Richtung nach dem Schlosse ein. In Windeseile flog die Zauberkutsche wieder dem Estrich zu und verschwand im Schlosse mit Pferd und Insassen. Vor Schreck und Überraschung hatte sich der Bauer an einer schützenden Stelle zu Boden geworfen und einen geweihten Rosenkranz um die Hände geschlungen. So zog der Geisterspuk an ihm vorbei, ohne ihm etwas Böses anzutun. Die Neugier des Mannes war kuriert, und fortan machte er einen weiten Umweg um das verwünschte Schloss, falls er einmal dort vorbeiziehen musste.

d) Im vergangenen Jahrhundert wurde zur Nachtzeit öfters eine weisse Dame gesehen. Sie wandelte von der Knochenmühle, die heute nicht mehr vorhanden ist, bis zum Schlösschen hinauf. Einem Bauern von Blumisberg, der vom Markte heimkehrte, gab sie stumm das Geleite. Sie lief immer neben dem Fuhrwerk bis zum Schloss, wo sie dann plötzlich verschwand. Im Schlösschen selber spukte und lärmte es öfters derart, dass es viele Jahre hindurch niemand drinnen aushalten konnte, weshalb das Gebäude viele Jahre unbewohnt blieb. Jetzt ist hingegen jeder Spuk und jeder nächtliche Geisterrumor verstummt.

e) In der alten Scheune bei Blumisberg war's früher auch nicht geheuer. Es spukte dort gar sehr in finstern Nächten. Man sieht unterm Dach und Gebälk auch kein einziges Spinngewebe.

 

Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)